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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
Autoren: Jeannine Klos
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an.
    »Hör zu: Egal, was passiert – auch wenn ich ins Koma fallen sollte oder so was –, du musst immer bei unserem Baby bleiben. Ja?«
    »Warum solltest du denn ins Koma fallen – so ein Quatsch!«
    »Ich glaub auch nicht, dass ich ins Koma fallen werde. Aber darum geht es jetzt auch gar nicht! Schwör einfach, dass du Hannah bzw. den Schwestern auf Schritt und Tritt folgen wirst, wenn sie mit unserem Baby aus dem Kreißsaal gehen.«
    »Alles klar, mach ich«, versprach er mir brav.
    Wie so oft hatten wir auch dieses Mal die Werbepause optimal genutzt, um uns auszutauschen. Darin waren wir in den sechs Jahren unserer Ehe Weltmeister geworden. Es ging sogar so weit, dass wir die vielen Werbeunterbrechungen begrüßten und sie gar nicht mehr als nervige Zerstückelung unseres Fernsehvergnügens empfanden. Besonders für Ralf, der nicht gern viel redet und nicht zugetextet werden will, sind diese überschaubaren Zeitfenster zum Austausch perfekt.
    Und ich war erleichtert, dass er mich nicht für verrückt erklärt hatte. Trotzdem nahm ich mir vor dem Einschlafen fest vor, diese Panikmache in meinem Kopf abzustellen. So etwas kannte ich auch gar nicht von mir … Oder doch? Während der Schwangerschaft mit Yara hatte ich auch schon einmal solch unbegründete Angstmomente erlebt, aber eben Momente. Ich war damit allein klargekommen und hatte auch niemandem davon erzählen müssen. Nicht umsonst genoss ich den Ruf einer Susi Sorglos, Ängste gab es in meinem Leben nicht, im Gegenteil, ich war immer zu allen Abenteuern bereit.
    Ich war es auch, die am Anfang unserer Beziehung mal aus unserem beschaulichen Saarland herauskommen wollte und Ralf zu einer Reise nach Venezuela überredete – inklusive einer dreitägigen Dschungelwanderung im Orinokodelta. Ich erinnere mich, dass ich vor nichts Angst hatte und mich vor nichts ekelte. Auf dem Esstisch stand ein Glas mit einer riesigen Tarantel, die unser einheimischer Guide gefangen hatte. Auf meinem Haaransatz saßen Hunderte von Stechmücken. Wir mussten aufpassen, nicht in Luftwurzeln zu fallen, und an den Bäumen durften wir uns nicht festhalten, weil sie giftige Dornen hatten oder sich vermeintliche Äste als gefährliche Schlangen entpuppten. Aber Angst verspürte ich nicht! Ich war fasziniert von all den unglaublich lauten Tiergeräuschen und dem satten Grün um mich herum. Ich sehe unseren Guide noch vor mir, wie er uns mit einer Machete den Weg bahnte. Und als wir an einem Fluss vorbeikamen, fischte er einen Piranha aus dem Wasser und ließ ihn filmreif in einen Plastikbecher beißen. Im Nu war der Becher zerschreddert. Der Guide erklärte uns, dass die Piranhas einen kleinen scharfen Stachel haben, mit dem sie ihre Beute aufschlitzen. Wenn sie das Blut riechen, kommen sie in ganzen Schwärmen angeschwommen – dann hat man keine Chance mehr. Bei Sonnenuntergang fuhren wir mit einem Bötchen zur Laguna di Silencio. Dort genossen wir einen grandiosen Ausblick. Solch eine unberührte Landschaft hatte ich zuvor noch nie gesehen, ich kam mir wie in einer Traumwelt vor. Das glasklare Wasser schimmerte leicht rötlich. Ab und zu sprangen ein paar Fische in die Luft. Der Guide bot an, dass wir hier eine Badepause machen könnten. Sofort fragten die anderen aus unserer Gruppe, was mit den Piranhas sei. Es gäbe hier keine, sagte der Guide, da das Wasser der Lagune zwei Grad wärmer sei als das des Flusses. Ich wusste, dass ich so eine Gelegenheit nie mehr in meinem Leben bekommen würde. Und ich konnte einfach nicht widerstehen. Ohne zu überlegen, sprang ich kopfüber ins tiefe Kühl hinein. Ich fühlte mich so frei und mutig wie noch nie. Ralf sprang hinterher, aber die anderen blieben alle im Boot sitzen. Ich konnte das nicht verstehen. Ich fürchtete weder irgendwelche Piranhas noch sonst etwas.
    Aber jetzt, wenige Wochen vor meiner zweiten Entbindung, hatte ich Angst. Große Angst.
    Ich fragte mich, ob das mit den Hormonen zusammenhing? War das vielleicht so ein Frau-in-der-Schwangerschaft-Ding? Während einer Schwangerschaft kann die Gefühlswelt schon mal Kopf stehen. Ob eine meiner Freundinnen solche Ängste vielleicht sogar kannte? Ich nahm mir vor, beim bevorstehenden Treffen in großer Runde Feldforschung zu betreiben.

    »Habt ihr eigentlich auch Angst davor gehabt, dass eure Babys im Krankenhaus vertauscht werden könnten?«
    Irritierte Blicke statt einer Antwort, dann folgte Gelächter.
    »Wie kann man vor so etwas Angst haben? Das ist ja wohl der
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