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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
Autoren: Jeannine Klos
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mehr. Ich krieg das hier alleine nicht mehr hin.«

    Der Anästhesist war etwa so alt wie ich, klein, dunkelhaarig und trug eine Brille. Er wirkte auf mich eher wie ein Pfleger und nicht wie ein Arzt. Aber ich fand ihn auf Anhieb sympathisch. Er hatte einen recht derben Humor, was mir gefiel und in dieser Situation sogar guttat. Es war nicht nur mein erster Kaiserschnitt, es war meine erste Operation im Leben überhaupt. Ich bekam eine Teilnarkose. Wovor ich am meisten Angst hatte, war, dass man mir den Bauch aufschneiden und ich noch etwas spüren könnte. Der Anästhesist nahm irgendein Instrument und berührte damit eine Stelle an meiner rechten Flanke.
    »Spüren Sie das?«
    »Ja«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen, und gleich spritzte er noch etwas Narkosemittel nach. Dann testete er mich wieder. »Und jetzt?«
    »Immer noch«, log ich, denn ich wollte auf keinen Fall riskieren, auch nur eine Sekunde zu früh aufgeschnitten zu werden. Er wartete etwas, bis das Mittel in die tieferen Schichten meiner Zellen einwirken konnte, und nahm dann beim dritten Versuch meine Antwort gleich selbst vorweg. »Jetzt können Sie wirklich nichts mehr spüren, Frau Klos.«
    »Ja, jetzt ist es okay«, sagte ich beruhigt.
    Und nachdem noch eine zweite Ärztin hinzugekommen war, ging es auch schon los. Meine Arme ausgestreckt und an den Handgelenken angeschnallt, lag ich da wie Jesus am Kreuz. Der Anästhesist erklärte mir, was die beiden Ärztinnen gerade machten. Als gelernte medizinisch-technische Assistentin interessierte mich das alles sehr, und es lenkte mich wunderbar ab. Die Geburt wurde auf einmal zweitrangig für mich. Ich begutachtete alle Geräte und Vorgänge. Bedenken, dass etwas schiefgehen könnte, hatte ich überhaupt keine. Ralf stand neben Hannah an meinem Kopfende. Ab und zu unterhielten sie sich, oder Hannah erklärte Ralf etwas. Von dem Austausch der beiden bekam ich allerdings nicht so viel mit, denn ich redete fast ununterbrochen mit dem Anästhesisten.
    »Muss das Tuch da sein?«, fragte ich ihn. Ich hätte so gern zugeschaut, wie mein Baby aus meinem Bauch geholt wird.
    »Auf keinen Fall können wir das Tuch fortnehmen, das geht aus ästhetischen Gründen nicht«, wehrte er meinen Wunsch ab. »Keiner will das sehen. Sie sind die Erste, die dabei zuschauen will.«
    Ich lachte und fühlte mich so mutig wie damals bei dem Sprung in die Lagune. Doch plötzlich wurde mir elendig schlecht. Ich schaute auf den Monitor des Blutdruckmessers und sah, wie meine Werte in den Keller fielen. »Wenn nicht gleich etwas passiert, dann kotz ich Ihnen auf das Tuch.«
    Obwohl mir schrecklich übel war, versuchte ich noch cool zu bleiben. Der Anästhesist schaute nach.
    »Ach, das liegt an dem Haken«, bemerkte er trocken. Ich musste lachen. Eine der Ärztinnen nahm mir daraufhin den Haken, der meinen Bauch auseinanderspreizte und mir auf den Magen drückte, fort, und schnell wurde mir wieder besser.
    »Jetzt sind Sie gleich durch«, informierte mich der Anästhesist.
    »Ach, bis die sich durch meinen Speck gekämpft haben – das kann noch dauern.« Meine Laune stieg von Minute zu Minute.
    »Nein, wirklich, man kann das Baby schon sehen«, meinte Dr. Leist – und plopp – war unsere Leni auf der Welt. Sie war an Bauch, Schultern und Hals so von der Nabelschnur umwickelt, dass eine Spontangeburt überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Die viel zu kurze Nabelschnur war also der Grund gewesen, warum Leni wieder aus dem Becken nach innen gerutscht war. Welch ein Glück, dass ich mich sofort für den Kaiserschnitt entschieden hatte!
    So gern hätte ich mein Baby jetzt in den Arm genommen, aber es wurde mir nur für Sekunden vors Gesicht gehalten, damit ich es einmal anschauen konnte. Ich registrierte sofort, dass Leni tatsächlich so aussah wie Yara als Säugling. Meine Sehnsucht nach Leni war riesig, aber die Ärztin sagte mir, dass man meinem Kind erst noch die Lunge absaugen müsse, und dazu müsse man sie in ein Untersuchungszimmer mitnehmen.
    »Was soll ich machen? Soll ich hierbleiben?«, fragte Ralf, als ob ich ihn nicht auf genau diesen Fall vorbereitet hätte.
    »Was ist das denn jetzt für eine Frage«, antwortete ich völlig entgeistert.
    »Ich muss mitgehen, weil sie Angst hat, dass das Baby vertauscht werden könnte«, sagte er und tat so, als würde er einen Witz machen, um dann aber gleich der Ärztin und Hannah hinterherzutrotten.
    Ich war so glücklich und lachte lauthals über Ralfs Worte,
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