Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Überman

Überman

Titel: Überman
Autoren: Tommy Jaud
Vom Netzwerk:
geplant – blitzschnell gekocht‹.«
    Ein wenig ratlos legt Annabelle das Kochbuch weg.
    »Wenn dir so langweilig ist, warum suchst du dir nicht wieder einen Job?«
    »Mir ist nicht langweilig und Jobs sind was für Arbeitslose. Ich sorge für Gerechtigkeit!«
    »Toll …!«
    »Aber jetzt sag mal: Warum der Sekt?«
    Ich bekomme ein Glas gereicht und blicke in das Gesicht einer glücklichen Frau. »Heute hab ich endlich den Mut gehabt. Ich hab’s tatsächlich gemacht!«
    »Du bist Bahn gefahren ohne Ticket?«
    »Ich hab gekündigt heute!«
    Ich will etwas sagen, doch stattdessen japse ich nach Luft. Das Einzige, was ich herausgewürgt bekomme, ist ein »Herzlichen Glückwunsch …!«.
    »Haste nicht gedacht, dass ich das mache, oder?«
    »Äh … nein. Ich meine, mir war schon klar, dass du nicht bis zu deinem Lebensende anderer Leute Arschhaar jäten willst, aber …«
    »Hallo? Ich hab nie Arschhaar gejätet, ich bin im Marketing!«
    Zitternd zünde ich mir eine weitere Zigarette an.
    »Trotzdem hatte ich immer dieses Bild vor Augen …«
    »Jedenfalls …«, unterbricht mich Annabelle und strahlt weiter, »… und jetzt halt dich fest – sie nehmen mich in Geisenheim!«
    »In Geisenheim?«, wiederhole ich. »Internationale Weinwirtschaft. Der Bachelor-Studiengang mit den … hohen Gebühren!«
    »Richtig!«
    »Und … da nehmen sie dich!«
    »Genau. Heute Morgen kam der Brief, dass ich zugelassen bin zum Studium. Sag mal, ist alles in Ordnung mir dir?«
    »Klar!«, keucht es aus meinem rauchigen Hals, »es ist nur einfach so überraschend!«
    Und dann umarmt mich Annabelle, und ich muss meine Zigarette zur Seite halten, damit ich ihren blauen Pullover nicht abfackle.
    »Ohne dich könnte ich mir das nie leisten! Danke, dass du mich unterstützt, mein Schnuppes.«
    »Aber ich bitte dich!«, lache ich großherzig und bin froh, dass Annabelle meine metertiefen Panikfurchen im Gesicht nicht sieht. Noch während ich Annabelles freudig pochendes Herzchen an meiner Brust spüre, gehe ich die Kosten für ihr dreijähriges Bachelor-Studium durch: Semesterbeiträge, Wohnung, Fahrtkosten, die verpflichtenden Auslandsaufenthalte …
    »Freust du dich gar nicht?«
    »Klar, ich frage mich nur gerade, ob die Leute in der Krise noch so viel Wein trinken und nicht lieber Bier, also … ob das ein sinnvolles Studium ist …«
    »In der Krise«, lächelt Annabelle und reicht mir mein Sektglas, »trinken die Leute ganz besonders viel Wein. Auf mein Studium?«
    Ich bemühe mich um ein erfreutes Gesicht und dann stoßen wir an. »Auf dein … Studium!«
    Ich weiß auch nicht warum, aber in einer Sekunde ist mein Glas leer.
    »Knallt nicht schlecht«, sage ich und schenke mir zur Beruhigung gleich einen zweiten nach, »was ’n das für ein Sekt?«
    »Das ist ein 2008 er Cava von Juvé y Camps. Blumig, fruchtig, leichte mineralische Säure, riechst du den Honig?«
    Erschrocken stelle ich das Glas ab. »Die panschen da Honig rein, die Spanier?«
    »Ach Schnuppes, du bist hoffnungslos. Aber immerhin – du kochst! Wann … ist es denn fertig?«
    »Dauert noch ein bisschen …«
     
    Exakt 111  Minuten später hole ich die Salamipizza aus dem Ofen und stelle sie neben die drei Salate und das Kirschdessert. Annabelle bestaunt neugierig die dampfende Pizza, zur Feier des Tages hat sie auch noch einen Wein geöffnet.
    »Was trinkst du da?«, frage ich.
    »Einen ›Evangelos Tsantalis‹ aus Griechenland. Magst du auch ein Glas?«
    »Natürlich nicht«, antworte ich reflexartig.
    »Ich krieg dich nie zum Wein, oder?«, seufzt Annabelle ein wenig enttäuscht.
    »Da müsste schon ziemlich viel passieren!«, sage ich und sehe, wie Annabelle sich ein Stück von der Pizza nimmt.
    Hastig klopfe ich es ihr wieder aus der Hand. »Feechen, das dürfen wir doch nicht essen!«
    »Nich …?«
    Das mag ich an Annabelle: ihre großen Augen, wenn sie was nicht versteht oder hilflos ist, vermutlich, weil es so eine Art Beschützerinstinkt auslöst in mir.
    »Aber ich dachte, das ist unser Menü …«
    »Das ist kein Menü, das ist ein Beweis!«
    »Und was essen wir dann?«
    Ich öffne den Kühlschrank und präsentiere zwei Packungen CurryKing. »Ach Simon! An so einem besonderen Abend …!«
    Ich stehe noch neben dem geöffneten Kühlschrank, da fällt schon die Wohnungstür ins Schloss, und als ich zum Fenster humple mit meinem blutenden Stumpf und Annabelle die Straße überqueren sehe, da wünsche ich mir, es wäre gestern und wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher