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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
Autoren: Georg Pieper
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werden und wie etwa das »Notfallprogramm« unserer Psyche darauf reagiert (Teil II ), wird besser vorbereitet sein und ein größeres Vertrauen in die eigenen Kräfte haben können.
    Es wird Ihnen beim Lesen vielleicht auch klarer werden, dass das, was wir an Besitztümern anhäufen, dass all die Annehmlichkeiten und Sicherheiten, die uns so selbstverständlich scheinen, nicht ganz so selbstverständlich sind. Wenn wir erkennen, dass wir das alles von heute auf morgen verlieren können, wird die Wertschätzung und Dankbarkeit für unser jetziges Leben steigen. Und nicht zuletzt hoffe ich, dass Sie durch die Lektüre Kraft bekommen, sich einer Krise zu stellen, sie anzunehmen und sich aktiv mit ihr auseinanderzusetzen. Jeder von uns weiß wohl, wie es sich anfühlt, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, und nur noch ausrufen möchte: »Ich kann nicht mehr, ich weiß überhaupt nicht, wo ich anpacken soll!« Im Gespräch mit meinen Patienten verwende ich dafür gerne das Bild des »umgekippten Kleiderschranks« (Teil III , Kapitel 13). Durch eine Krise haben wir das Gefühl, unser Leben (der Inhalt des Schrankes) läge in Trümmern auf dem Boden. Unser erster Impuls sagt uns: Schnell wieder hineinstopfen, irgendwie, und dann die Tür rasch wieder zudrücken. Aber wie bei einem echten Schrank, in dem heilloses Durcheinander und Überfüllung herrschen, wird die Tür immer wieder aufspringen. Erst wenn wir uns den Inhalt Stück für Stück vornehmen, wenn wir uns ansehen, was uns belastet, werden wir dieses Chaos bewältigen können. Wie beim Aufräumen im wörtlichen Sinn ist das nicht immer leicht. Doch wenn es geschafft ist, können wir im Rückblick sagen: Es hat wirklich etwas gebracht. Denn es ist nicht nur möglich, in Krisen zu bestehen, sondern auch an ihnen zu wachsen.
    So wie die Ehefrau eines in Borken verunglückten Kumpels. Sie erzählte mir während unserer Gespräche einmal, sie habe in jener schweren Zeit so viel über sich gelernt, dass sie ihr Leben vor der Katastrophe nicht wieder zurückhaben wollte, selbst wenn sie es könnte. Diese Frau hat erfahren, dass alles bleibt – nur ganz anders. Diese Veränderung hat sie angenommen und für sich als sehr positiv bewertet. Oder um mit den Worten von Albert Camus zu sprechen: »Mitten im Winter hat sie erfahren, dass es in ihr einen unbesiegbaren Sommer gibt.«

Erster Teil:
Das unversicherbare Leben
    Die Menschen werden nicht durch die Dinge, die passieren, beunruhigt, sondern durch die Gedanken darüber.
    Epikur

1. Die Krisen- und Überforderungsgesellschaft
    Seit die Menschheit auf der Erde lebt, ist sie immer wieder von schweren Katastrophen und Unglücken heimgesucht worden. Durch Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutwellen, Seuchen oder Kriege verloren Zehntausende, Hunderttausende, sogar Millionen Menschen ihr Leben. Von den persönlichen Schicksalsschlägen, von denen auch in den Geschichtsbüchern selten zu lesen ist, gar nicht zu reden. Auch wenn wir persönlich davon nicht betroffen waren: sowohl in der menschlichen Psyche als auch in unserem körperlichen Gedächtnis sind diese Bedrohungen verankert.
    Zieht man Aufzeichnungen von den frühen Katastrophen der Neuzeit bis zur Gegenwart in Betracht, kommen pro Jahr im Schnitt mindestens 80 000 Menschen allein durch Naturkatastrophen ums Leben, verlieren ihr Hab und Gut, ihre Angehörigen, leiden unter gesundheitlichen Folgen. Wenn man diese Zahlen bedenkt, könnte man meinen, ein Großteil der Menschheit müsste schwer traumatisiert und längst verzweifelt sein. Denn die meisten Überlebenden einer solchen Katastrophe erfüllen genau die Voraussetzungen, die seit den 1980er Jahren den Begriff Trauma definieren: Es handelte sich stets um plötzliche, lebensbedrohliche Ereignisse, bei denen die Menschen einen schweren Schock, Hilflosigkeit und Todesangst erlebten. Wie kommt es, dass dennoch nicht alle traumatisiert sind?
    Es scheint, dass wir im Laufe der Evolution auch psychisch einiges an Handwerkszeug mitbekommen haben. Trotz immenser Belastungen und deprimierender Rückschläge bei unseren Bemühungen um eine sichere und lebenswerte Zukunft stecken in uns ein starker Überlebenswille und ein erstaunlicher Pragmatismus. Die Menschheit hat sich immer wieder an die Widrigkeiten des Lebens angepasst und Kräfte entwickelt, auf die wir uns verlassen und in kleinen wie in großen Krisen zurückgreifen können. Theoretisch könnten wir aus dem
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