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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
Autoren: Georg Pieper
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enormen Reservoir an Ressourcen schöpfen, das die Menschheit in der Geschichte ihrer Evolution stetig ergänzt und perfektioniert hat. Tatsächlich haben wir es aber ganz offensichtlich im Laufe der Zeit verlernt, auf unsere Instinkte zu hören, unseren ureigenen Kräften, unserer Selbstwirksamkeit zu vertrauen.
    Seit geraumer Zeit schon stelle ich fest, dass immer mehr Patienten mit unspezifischen Angstzuständen in meine Praxis kommen, die nicht in das übliche Diagnoseschema passen. Burnout mag derzeit eine Modediagnose sein, die manchem vielleicht etwas zu leichtfertig attestiert wird; Tatsache ist jedoch, dass eine wachsende Anzahl von Menschen in unserem Land den Anforderungen des Lebens offenbar nicht mehr gewachsen ist. Sie leiden unter Zukunftsängsten und dem enormen Druck, sich in der Arbeitswelt, der Familie, ja sogar während der Freizeit ständig beweisen zu müssen. Viele agieren bereits am Limit ihrer Kraft und haben das Gefühl, die Kontrolle über ganze Lebensbereiche verloren zu haben, mehr und mehr fremdbestimmt zu sein.
    In Deutschland beziehungsweise Europa ist das beste Beispiel dafür wohl die Finanzkrise. Kaum jemand versteht noch, wie Heuschrecken, Banken, Bonuszahlungen, Immobilienblasen, Rettungsschirme, Euro-Bonds und dergleichen mehr funktionieren. Man fühlt sich zum passiven Zuschauer degradiert, der Abend für Abend beim Ansehen der Nachrichten ein Stück mehr Kontrolle verliert und verunsichert zurückbleibt. Die sich global immer stärker ausweitende ökonomische Unsicherheit ist selbst von Optimisten nicht mehr schönzureden. Unser gesunder Menschenverstand sagt uns: Man kann nur das ausgeben, was man hat, und nur den Kredit in Anspruch nehmen, den man auch abbezahlen kann. Aber was im Kleinen gilt, scheint im Großen nicht zu gelten. Wir verlieren den Überblick über das, was da möglicherweise auf unserem Rücken ausgetragen wird, und verspüren die Angst, Teil eines Untergangsszenarios zu werden und nichts dagegen ausrichten zu können. Diese Angst ergreift auch jene, die nicht – wie etwa die Menschen im Süden Europas – von harten Sparmaßnahmen oder gar Jobverlusten betroffen sind. Sie manifestiert sich in der Befürchtung, das ganze eigene Lebenskonzept könne mit einem Mal ins Wanken geraten.
    Nun mag die aktuelle Krise durchaus Anlass zur Besorgnis geben, was die wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen angeht. Sie trifft uns aber auch in einer Zeit, in der sich eine Art Weltuntergangsstimmung längst zusammengebraut hat. So ernst diese Lage auch ist, ich glaube, dass viele Menschen mit zu großen Unsicherheitsgefühlen reagieren, die ihr ganzes Leben negativ beeinflussen, weil sie es lange Zeit nicht geübt haben, Krisensituationen zu erleben und sie aktiv anzugehen. Es kommt mir manchmal sogar so vor, als habe sich bei vielen Menschen die Grundhaltung etabliert, dass eine Änderung der Lebensgewohnheiten nicht vorgesehen ist. Nicht im Sinne von Einschränkung und schon gar nicht im Sinne einer fundamentalen Änderung der Parameter, beispielsweise durch eine Krankheit, einen Schicksalsschlag, der alles auf den Kopf stellt. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wir gehen dabei sogar so weit, dass wir Anzeichen einer Krise ignorieren. Viele meiner Patienten haben sich über längere Zeit über körperliche Symptome hinweggesetzt, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern oder zu halten, haben Schlafstörungen und Rückenbeschwerden mit Medikamenten bekämpft oder Pillen geschluckt, wenn der Magen signalisierte, dass er »sauer« auf die Lebensführung der Betreffenden ist. Die Wenigsten konnten erkennen, dass der Körper ihnen damit etwas sagen wollte. Wir alle überschreiten unsere Grenzen nur allzu bereitwillig, reizen alles aus bis zum Äußersten und bringen damit unser ureigenes Alarmsystem zum Schweigen. Die Ursachen blenden wir gerne aus, bekämpfen stattdessen die Symptome, man will ja funktionieren. Damit schwächen wir jedoch unsere Fähigkeiten, im Ernstfall auch mit Notsituationen umgehen zu können. Und mehr noch: Dieser Hang zum Ausblenden in Kombination mit der latenten Angst, an den immer komplexer werdenden Anforderungen des Lebens zu scheitern, lähmt viele Menschen schon beim kleinsten Anzeichen einer drohenden Veränderung. In unserem Bedürfnis, mit aller Macht am »Bewährten« festhalten zu wollen, um nicht noch stärker verunsichert zu werden, schaden wir jedoch letztlich uns selbst. Psychisch und physisch.
    Augen zu und
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