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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis
Autoren: Thomas Ziegler
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Sintflut. Es war bei weitem die sauberste Lösung.
    Die Blondine schlug die langen Beine übereinander und warf ihr langes Haar zurück. Sie war ganz in Schwarz gekleidet; schwarzer Pullover, schwarzer Rock, schwarze Netzstrümpfe, schwarze hochhackige Schuhe. Aber sie sah nicht traurig aus. Eher ungeduldig. Verärgert.
    Sie sah wie jemand aus, der sich versetzt zu fühlen begann, und Markesch hoffte, daß sie tatsächlich versetzt wurde. Schließlich hatte er heute noch nicht seine tägliche gute Tat vollbracht, und irgend jemand mußte sich um sie kümmern. Es war besser, wenn er das erledigte, als sie irgendeinem gefühllosen Trottel zu überlassen, der alles nur verderben würde.
    »Sie studiert Biologie«, sagte Archimedes im akzentfreien Deutsch. In Köln geboren und aufgewachsen, beherrschte er nur ein paar Brocken Griechisch, ausnahmslos Schimpfwörter und Flüche. Er ließ sich an Markeschs Tisch nieder, zog an seiner filterlosen Zigarette und ließ beim Lächeln ebenmäßige Zähne aufblitzen, so weiß, als wollte er mit ihnen seine Verachtung für die abschreibungsbesessenen Zahnärzte ausdrücken. »Im ersten Semester«, fügte er hinzu. »Sie heißt Regina.«
    Markesch leerte sein Whiskyglas und stellte es zur Seite. »Biologie«, wiederholte er gedehnt. »Hätte ich mir denken können. So, wie sie aussieht, versteht sie bestimmt jede Menge von Biologie. Vielleicht kann sie mir einiges beibringen. Was meinst du?«
    Der Grieche winkte ab. »Vergiß es. Sie hat einen festen Freund, Typ Stahlschrank, humorlos, gewalttätig. Du würdest nur deine Krankenversicherung mit einem mehrmonatigen Klinikaufenthalt belasten – in der Intensivstation. Nicht einmal ich habe es geschafft, ihr kaltes Herz zu erwärmen, von ihrem Bett ganz zu schweigen.«
    »Vielleicht mag sie einfach keine griechischen Götter. Vielleicht steht sie mehr auf deutsche Helden mit glorreicher Vergangenheit und zweifelhafter Zukunft.«
    »Du bist zu alt für sie«, sagte Archimedes freundlich. »Biologisch betrachtet, bist du auf dem absteigenden Ast, während sie das Leben noch vor sich hat.«
    Markesch drehte das Whiskyglas zwischen den Händen. »Man merkt, daß du zwei Semester Psychologie studiert hast«, knurrte er. »Wirklich. Du weißt, wie man einem selbstmordgefährdeten Menschen Mut zum Leben macht.«
    Der Grieche grinste.
    Markesch starrte in das leere Glas und dachte an den Stahlschrankfreund der Blondine.
    »Woran denkst du?« fragte Archimedes interessiert. »Hoffentlich an das viele Geld, das du mir schuldest und das mich früher oder später in den Ruin treiben wird – eher früher als später, was das betrifft.«
    »Ich denke nur an dich, nicht an deinen Ruin. Ich denke nie an den Ruin. Das unterscheidet mich von dir.«
    Der Grieche beugte sich nach vorn und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Warum übernimmst du nicht zur Abwechslung einen neuen Fall? Ein neuer Fall würde dich vom Scotch ablenken und dir nebenbei helfen, deine Schulden bei mir abzutragen.«
    »Ich warte auf einen neuen Fall«, erklärte Markesch.
    »Seit zwei Monaten.«
    »Das Leben eines Privatdetektivs ist hart.«
    »Das Leben eines Privatdetektivs ist nur dann hart, wenn er sich den Luxus von Prinzipien leistet.« Archimedes schob sich eine neue Zigarette zwischen die Lippen. »Und ich glaube nicht, daß du dir im Moment etwas so Kostspieliges wie Prinzipien leisten kannst. Ston diabolo! Es gibt genug eifersüchtige Irre, die glücklich wären, dir pro Tag ein paar Hunderter zu zahlen, damit du ihren untreuen Frauen hinterherschnüffelst. Du hast einen guten Ruf in der Branche. Warum willst du ihn nicht zu Geld machen?«
    »Weil es mich krank macht«, sagte Markesch. »Schmutz macht mich krank. Vor allem diese Sorte Schmutz. Ich bin lange genug mit Fotoapparat und Teleobjektiv hinter Leuten hergerannt, die nur ein wenig Spaß im Bett haben wollten. Ich bin allergisch gegen diese eifersüchtigen Irren, die von mir verlangen, ihren Frauen nachzuspionieren. Ich kann so nicht leben, verstehst du?«
    »Natürlich. Ich verstehe dich.« Der Grieche nickte bedächtig. »Ich kenne dein Problem. Dein Problem ist, daß du ein zu guter Schnüffler bist. Seit du damals diesen spektakulären Fall von Software-Diebstahl aufgeklärt hast, bist du für die Realitäten des Alltags verdorben. Der Alltag eines Privatschnüfflers besteht aber nicht aus spektakulären Fällen, sondern aus untreuen Ehemännern und nymphomanischen Ehefrauen. Es kling vielleicht
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