Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueberdog

Ueberdog

Titel: Ueberdog
Autoren: Joerg-Uwe Albig
Vom Netzwerk:
den schnauzbärtigen Wirt zurechtwies, der eigens an meinen Tisch getreten war, um sich die Belehrung abzuholen, begann ein Cockerspaniel vom Nebentisch, wimmernd und knurrend meine Tüte zu untersuchen. Mit Bedauern gab ich dem Tier einen Tritt in die Leber, bevor es das Vierländer Schmökfleisch zu Tage fördern konnte.
    Am vierten Tag, als ich mit einer Tüte voller Milchsardinen aus dem Pessoa in meinem Eppendorfer Hausflur stand, fand ich die Wohnungstür verschlossen vor. Von drinnen hörte ich Stimmen, ehrerbietige Stimmen von Frauen und Männern, beherrscht und beschnitten vom vertrauten Organ meines Maklers. Ich klingelte und entschuldigte mich für die Verspätung. Im Türrahmen fehlte der Blechstreifen.
    Der Makler maß mich mit einem feindlichen Blick, der mir zeigte, dass er mich wiedererkannte. Ich schlüpfte an ihm vorbei in die Wohnung, prüfte mit einem schnellen Blick den straffen Sitz der Tagesdecke auf dem Kikkomainen-Bett, bezog dann meinen Wachposten vor der Tür zur Abstellkammer. Hinter meinem Rücken lauerte der blaue Müllsack mit meinen Besitztümern, bereit zum Verrat.
    Menschen zogen an mir vorbei, ruhelos, auf der Suche nach Heimat. Einige Gesichter erkannte ich wieder. Sie gehörten Verzweifelten,die sich eine zweite Chance gaben, oder dem Makler oder dem Leben, und doch wussten, dass es nicht mehr viele geben würde. Ich sah ihre flackernden Blicke, ihr schicksalsergebenes Tasten nach der Hand des Partners. Eine junge Frau im Businesskostüm stützte sich beidarmig auf die Bank des Schlafzimmerfensters und starrte wie in Todesgedanken auf das verblühte Rotbraun der Gartenrabatten.
    Nach zwanzig Minuten war Stille in der Wohnung eingekehrt. Ich gab meinen Posten vor der Abstellkammer auf und schritt ins Wohnzimmer, wo der Makler mit einem älteren Paar in halblautem Gespräch stand. Der Mann, schön und weißhaarig mit mächtigen, aufgewühlten Brauen, zog bei meinem Anblick die ausgestreckte Rechte wieder ein. Kurz bevor sie in der Tasche seines marineblauen Dufflecoats verschwand, konnte ich noch ein Bündel Geldscheine darin erkennen.
    »Oh«, sagte der Makler. »Sie haben den Ausgang nicht gefunden. Einfach immer rechts. Sie sehen dann schon.«
    Ich sagte kein Wort, rührte mich nicht vom Fleck. Ich blickte in die Augen des Mannes im Dufflecoat; sie hatten das künstliche Tiefblau eines Kühlbeutels, mit dem man Gewebeschwellungen lindert. Mich traf der strafende Blick eines Gottes.
    »Wenn Sie noch ein paar Minuten im Nebenzimmer warten«, sagte der Makler jetzt ungeduldig, »dann nehme ich Sie gleich mit raus.«
    Der Mann im Dufflecoat starrte mich weiter an, mit einem Blick, in dem Ekel stand und existenzielles Befremden. Auch seine Frau fixierte mich jetzt unter müden, hängenden Lidern hervor, verschränkte die Arme und sah spitzmündig und auffordernd den Makler an.
    Ich nickte verstohlen und räumte das Feld. In der Abstellkammer atmete ich tief, schmiedete und verwarf Pläne. Ich konnte nur abwarten; vielleicht würde alles gut. Ich zwang mich zur Geduld; ich wusste, das war meine schwache Seite. Schritte näherten sich; ich hörte die weiche, kognakgebadete Stimme des Mannes im Dufflecoat. »Sagen Sie, die Tür da vorhin neben der Toilette«, sagte der Mann, »ist dahinter eigentlich noch ein Zimmer?«
    Ich warf den Müllsack über die Schulter und schlüpfte ins Freie. Auf der Treppe hörte ich, wie das Trio lachend die Wohnung verließ. »Für den Vertrag kommen Sie doch am besten Montag in mein Büro«, sagte der Makler und warf mit einem schaurigen Geräusch der Endgültigkeit die Wohnungstür zu.
    Als ich auf der Straße stand, fühlte ich mich lächerlich heroisch. Ich gehörte zu denen, die ihre Geworfenheit annahmen, ihre Unbehaustheit, und auf den billigen Trost verzichteten, den eine Fußbodenheizung und ein paar Knorrholm-Stühle versprachen. Am Isebekkanal fuhr mir ein kraftvoller Wind in Nase und Lungen; er roch nach Meer, nach Aufbruch, nach Küsten voller Gold und seltenen Erden.
    An diesem und an den nächsten Abenden kehrte ich regelmäßig zu meinem Sportgeschäft zurück. Meine innere Uhr stellte sich um; sie ging jetzt schon um Stunden vor. Lange vor Mitternacht machte sie mich schläfrig, zu einer Zeit, da die Partys in der Philharmonie erst richtig begonnen hatten. Morgens weckte sie mich pünktlich um halb sieben, bevor die Angestellten des Sportgeschäfts den Laden für die Kunden herrichteten.
    Eine Mikrowelle, in der ich erbeutete Genüsse aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher