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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel
Autoren: Jandy Nelson
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mit all dieser Liebe?
    Ungläubig schüttelt er den Kopf. »Ich hab Glück gehabt. Dieses Schokoladenbuch …«
    Das Bild fällt mich an: Bailey, wie sie vom Stein springt, an dem Tag, an dem sie sich begegnet sind, als Toby auf seinem Brett zurückkam. »Ich wusste, du würdest zurückkommen!«, hatte sie gerufen und das Buch in die Luft geworfen. »Genau wie in dieser Geschichte. Ich hab es gewusst!«
    Ich habe das Gefühl, in Tobys Kopf läuft derselbe Tag noch einmal ab, denn unsere höfliche Ungezwungenheit ist kreischend zum Stillstand gekommen – all diese Vergangenheitsformen in unseren Sätzen türmen sich plötzlich auf, als wollten sie uns erdrücken.
    Ich sehe die Verzweiflung über sein Gesicht kriechen, so wie sie vermutlich auch über meines kriecht.

    Ich schaue mich um in unserem Zimmer, das jubilierende Orange, das wir über das schlafmützige Blau geklatscht haben, das wir jahrelang hatten. Bailey hatte gesagt: »Wenn das nicht unser Leben ändert, dann weiß ich auch nicht, was es tun wird. Dies, Lennie, ist die Farbe Außergewöhnlich .« Ich erinnere mich noch, wie ich dachte, ich möchte nicht, dass unser Leben sich ändert, und ich habe nicht verstanden, warum sie das wollte. Ich erinnere mich noch, wie ich dachte, dass ich das Blau immer gemocht hatte.
    Ich seufze. »Ich bin echt froh, dass du aufgetaucht bist, Toby. Ich hatte mich in Baileys Schrank versteckt und mich stundenlang zum Wahnsinn getrieben.«
    »Gut. Dass du froh bist, mein ich, ich wusste nicht, ob ich dich nerven sollte, aber ich konnte auch nicht schlafen … hab so irre Sachen auf dem Brett gemacht, dass ich mich hätte umbringen können, dann bin ich hier gelandet und hab eine Stunde unter dem Pflaumenbaum gesessen und versucht zu entscheiden …«
    Das volle Timbre von Tobys Stimme lenkt meine Aufmerksamkeit plötzlich auf die andere Stimme im Raum, der Sänger, der aus dem Lautsprecher grölt, klingt bestenfalls wie jemand, dem es gerade an die Gurgel geht. Ich stehe auf, um etwas Melodischeres aufzulegen, als ich mich dann wieder hinsetze, vertraue ich ihm an: »In der Schule kapiert es niemand, nicht wirklich, nicht mal Sarah.«
    Er legt den Kopf an die Wand. »Weiß nicht, ob es möglich ist, so was zu verstehen, wenn man nicht drinsteckt wie wir. Ich hatte keine Ahnung …«

    »Ich auch nicht«, sage ich und mit einem Mal will ich Toby drücken, weil ich so erleichtert bin, dass ich heute Nacht nicht mehr so allein drinstecken muss.
    Er schaut auf seine Hände runter, seine Stirn ist gefurcht, als würde er darum ringen, wie er etwas ausdrücken soll. Ich warte.
    Und warte.
    Ich warte hier immer noch. Wie hat Bailey diese Funkstille durchgestanden?
    Als er aufschaut, ist sein Gesicht voller Mitgefühl, ganz Löwenjunges. Die Worte sprudeln aus ihm hervor, eins aufs andere. »Dass Schwestern sich so nahestehen können, hab ich gar nicht gewusst … Es muss furchtbar für dich sein, Lennie. Es tut mir so leid. Immerzu denke ich daran, wie es ohne sie für dich sein mag.«
    »Danke«, flüstere ich. Und ich meine es auch so und ganz plötzlich will ich ihn berühren, mit meiner Hand über seine Hand streichen, die nur ein paar Zentimeter von mir entfernt auf seinem Schenkel liegt.
    Ich schaue schnell zu ihm rüber, er sitzt so dicht neben mir, dass ich sein Shampoo rieche, und ein verstörender, entsetzlicher Gedanke setzt sich in mir fest: Er sieht wirklich gut aus, erschreckend gut. Wie kann es sein, dass ich das nie bemerkt habe?
    Das kann ich beantworten: Er ist Baileys Freund, Lennie. Was ist eigentlich los mit dir?
    Liebe Gedanken , schreibe ich mit dem Finger auf meine Jeans, benehmt euch .
    Tut mir leid, flüstere ich Bailey in meinem Kopf zu, ich
wollte nicht auf diese Art an Toby denken. Und ich versichere ihr, dass es nicht wieder vorkommen wird.
    Aber er ist der Einzige, der es versteht, füge ich hinzu. O Scheiße.
    Nach einer wortlosen Weile holt er eine Flasche Tequila aus der Jackentasche und schraubt sie auf.
    »Willst du was?«, fragt er. Na toll, das wird helfen.
    »Klar.« Ich trinke äußerst selten, aber vielleicht wird es helfen, vielleicht wird es mir diesen Wahnsinn austreiben. Ich greife nach der Flasche und unsere Finger berühren sich dabei einen Augenblick zu lang, als ich sie nehme. Das bilde ich mir nur ein, beschließe ich, setze die Flasche an die Lippen, nehme einen kräftigen Schluck und spucke alles ganz entzückend wieder über uns aus. »Igitt, ist das widerlich.« Mit dem Ärmel
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