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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben
Autoren: Jan Guillou
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war sich Linda Martinez nicht sicher und wollte es auch nicht so genau wissen.
    Linda Martinez war es durch einige persönliche Kontakte gelungen, beide Schwestern im Rehabilitationszentrum Santa Teresia in San Diego unterzubringen, einer privaten Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, jungen Mexikanern zu helfen, die auf die schiefe Bahn geraten waren. Jetzt sah es glücklicherweise aus, als würde es gutgehen. Die beiden hatten sogar einen Job bekommen.
    Es waren natürlich Jobs, die beinahe nach Wohltätigkeit rochen, da sie sowohl überbezahlt waren als auch leicht zu bewältigen. Sie arbeiteten als Putzfrauen bei einem eigenbrötlerischen Millionär namens Hamlon. Sie halfen ihm auch bei der Gartenarbeit und anderen Dingen. Hamlon war offenbar in der Computerbranche reich geworden und hatte sich jetzt ins Privatleben zurückgezogen.
    Er besaß eine fabelhafte Villa draußen in La Jolla, dem schicksten Wohnviertel für Reiche in der Region San Diego. Hamlon gab nie Partys und machte auch nicht so viel Dreck wie andere reiche Menschen, so daß das Putzen manchmal eher symbolisch war. Die beiden kleinen Schwestern hatten jedenfalls einen eigenen Job, der sie über Wasser hielt.
    Jetzt saßen alle drei am Strand und sahen ihn von weitem näher kommen. Corazon und Teresia erzählten kichernd, er habe einen absolut fabelhaften Körper, obwohl er immer wie ein Gentleman auftrete. Wahrscheinlich sei er schwul, obwohl das nicht ganz sicher sei, da er ein paar Pornogemälde mit nackten Frauen im Haus hätte, die an einer felsigen Küste badeten. Er behauptete, über dem Ganzen schwebe »nordisches Licht«, was immer darunter zu verstehen sei. Außerdem besitze er ein paar verrückte Gemälde mit weißen Wildkaninchen im Schnee irgendwo in Kanada, daneben aber auch eine Menge revolutionärer mexikanischer Kunst. Er habe ihnen Bilder von Emiliano Zapata und Pancho Villa gezeigt.
    Die beiden jüngeren Schwestern wurden immer eifriger und redeten durcheinander, während ihre große Schwester mit zunehmender Neugier den Läufer betrachtete, der unten am Wasser näher kam.
    Linda Martinez’ Schwestern plapperten munter drauflos und erzählten von einem merkwürdig großen Weinkeller mit Weinen, die nicht aus Kalifornien kämen. Außerdem habe er eine Menge verrückter Bücher, in denen man nicht mal die Buchstaben lesen könne. Und er trainiere jeden Tag wie ein Verrückter, laufe zwei Stunden, eine am Morgen und eine am Abend. Außerdem trainiere er mitten am Tag eine Stunde in seinem Fitneßraum. Und er übe Pistolenschießen auf einem Schießstand im Keller und schwimme manchmal bis zu einer Stunde im Pool. Mehr tue er den ganzen Tag nicht. Ach nein, er höre sich auch viel komische Musik an, sitze auf seiner Veranda, blicke aufs Meer und höre sich eine Menge alte Musik an. Aber anständig sei er trotzdem, da gebe es nichts. Schade nur, wenn er wirklich schwul wäre.
    Linda Martinez kniff die Augen zusammen und betrachtete genau den Mann mit Stirnband und Pferdeschwanz, der sich jetzt mit leichten Laufschritten näherte. Er schien in einem unbestimmbaren Alter zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig zu sein. Sein Alter war schwer zu schätzen, da er körperlich so durchtrainiert war. Er lief ohne sichtbare Anstrengung und hörte dabei Musik. Man sah es deutlich an den kleinen Ohrstöpseln.
    Gerade an diesem Tag war das Wasser eiskalt. Es herrschte ablandiger Wind mit einer starken Strömung. Die rote Flagge hinten am Badewärterturm signalisierte Badeverbot.
    In der Nähe der Wasserlinie, nicht weit von den drei Schwestern Martinez entfernt, spielte ein älteres Paar mit seinem Pudel. Dieser trug eine Bademütze und eine Art Schwimmweste, was dem kleinen Hund das Schwimmen erschwerte.
    Plötzlich erfaßte die Strömung den Pudel und trieb ihn einige Meter aufs Meer hinaus. Dort packte der Wind die Schwimmweste, worauf es schnell und anscheinend unrettbar nur noch weiter aufs Meer hinausging. Das ältere Paar begann vor Panik zu schreien.
    In diesem Augenblick kam Hamlon an. Er sah den Hund, der von der starken Strömung aufs Meer hinausgetrieben wurde, blieb stehen und senkte den Kopf. Es hatte den Anschein, als ließe er einen schweren Seufzer hören. Dann nahm er ohne jede Eile seinen Walkman und die Kopfhörer ab und zog die Laufschuhe aus. Er zog sein ausgeblichenes Sweatshirt der UCSD über den Kopf und watete ein paar Meter in dem eiskalten Wasser hinaus, was ihm jedoch nicht das geringste auszumachen
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