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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben
Autoren: Jan Guillou
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bestehe aus tausend Flaschen Wein, von denen die meisten Rotweine seien, wie es scheine. Der Admiral habe ihm ausdrücklich eingeschärft, den Wein gerade an diesem Tag und pünktlich um 9.30 Uhr zu liefern. Er habe überdies versprechen müssen, nichts vorher zu sagen. Im übrigen habe er auch einen Brief vom Admiral persönlich mitgebracht…
    Erik Ponti riß den weißen Leinenumschlag unmotiviert aggressiv – oder war es Nervosität? – an sich und öffnete ihn achtlos mit dem Daumen. Es war eine mit Tinte geschriebene Mitteilung auf einer weißen Briefkarte. Das Emblem der schwedischen Marine prangte in der linken oberen Ecke:
    Bruder und Genosse, unsere Vereinbarung im Weinkeller, an die Du Dich hoffentlich erinnerst, sah aus wie folgt: Du solltest einiges an Wein übernehmen, wofür ich keine Verwendung mehr habe, wenn ich nicht mehr da bin. Hier nun ein gutes Sortiment. Dies ist, wie Du jetzt wohl allmählich einzusehen beginnst, ein Angebot, das Du nicht mehr ablehnen kannst… Rechtsanwalt Lönnerheden kann Dich über steuerrechtliche Details etc. informieren. Alles ist legal, die Schenkungssteuer bezahlt.
    Ich bedaure, daß wir uns nie mehr wiedersehen werden. Aber jetzt hast Du etliche Toasts auf einen abwesenden Freund vor Dir.
    In Freundschaft Carl Erik Ponti war wie versteinert und versuchte zu verstehen. Am wichtigsten war jetzt nicht das berufsethische Problem, ein Geschenk anzunehmen, das zwischen einer viertel und einer ganzen Million wert war, wie er schnell, aber beschämt ausrechnete. Am wichtigsten waren die Worte: wenn ich nicht mehr da bin .
    Und dieser Moment sollte jetzt sein, genau jetzt. Er sah nervös auf die Armbanduhr. Noch sechzehn Minuten bis zur Bekanntgabe des Urteils im Stockholmer Amtsgericht. Und Carl behauptete, nicht mehr da zu sein.
    »Sei so nett und warte noch ein bißchen mit dieser Ladung. Ich habe in der nächsten halben Stunde reichlich zu tun. Nein, zwanzig Minuten dürften reichen«, sagte er verkniffen zu dem freundlichen, aber verständnislosen Berufsjäger von Stenhamra.
    »Ja, aber inzwischen kriege ich vielleicht einen Strafzettel. Außerdem soll ich dir auch ausrichten, daß du auf Stenhamra Hirsche jagen darfst«, sagte der Jäger, leicht gekränkt, daß das gewaltige Geschenk nicht mit der gebührenden Begeisterung empfangen wurde.
    »Ich bezahle den Strafzettel, mach dir keine Sorgen!« sagte Erik Ponti desperat. »Aber ich muß jetzt wieder an die Arbeit. Es hat etwas mit diesem Brief zu tun, und du mußt mich wirklich eine Weile entschuldigen!«
    Er rannte die Treppen hinauf, stürmte in den Bereitschaftsraum und schnappte sich das erstbeste Telefon. Er rief die Auskunft an und erbat die Nummer des Hall-Gefängnisses. Einige der Kollegen in nächster Nähe sahen ihm natürlich an, daß er auf eine Weise aufgeregt war, die für einen Nachrichtenjournalisten mit dreißigjähriger Berufserfahrung eher untypisch war. Als sie diskret näher kamen, legte er die Hand auf die Sprechmuschel und flüsterte, er habe einen Tip bekommen, daß Hamilton sich vielleicht das Leben genommen habe.
    Das Stimmengewirr in der Redaktion verstummte. Jemand beschloß, den Nachruf vorzubereiten, der bis auf die letzte aktuelle Meldung und die Todesursache fertig dalag; alle berühmten Schweden liegen nachrichtenmäßig bestens vorbereitet in solchen Todesarchiven.
    Als in Hall abgenommen wurde, sagte ihm eine Sekretärin, der Anstaltsleiter sei gerade zu Hamilton hinuntergegangen, um ihm das Urteil mitzuteilen, das per Fax gekommen sei.
    Erik Ponti fragte in einem journalistischen Reflex, wie das Urteil laute, und erhielt die Antwort »lebenslänglich«. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel und flüsterte »lebenslänglich«. Diese Auskunft bewirkte, daß einer der Mitarbeiter sofort losrannte, um die Neuigkeit in den Kurznachrichten um 10.00 Uhr als erste zu bringen.
    Vier Minuten später hatte er den Anstaltsleiter am Apparat. Dieser war so aufgewühlt, als er nach dem Hörer griff, daß er zuerst nicht erfaßte, daß er mit dem Echo des Tages sprach. Er wollte der Polizei mitteilen, daß Hamilton ausgebrochen sei.
    Erik Ponti schaffte es sogar, einige klärende Fragen zu diesem Thema zu stellen und auch eine Antwort darauf zu erhalten, bevor dem Anstaltsleiter sein Irrtum aufging.
    So konnte das Echo des Tages als erstes aller Medien, was für Journalisten erstaunlich wichtig ist, die kurze Mitteilung bringen, die überall in der Welt zu großen Schlagzeilen führte. Die
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