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Über Himmel und Erde: Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka - Das persönliche Credo des neuen Papstes (German Edition)

Über Himmel und Erde: Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka - Das persönliche Credo des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Über Himmel und Erde: Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka - Das persönliche Credo des neuen Papstes (German Edition)
Autoren: Jorge (Papst Franziskus) Bergoglio , Abraham Skorka
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religiösen Werten zu erziehen. Ein Eingreifen des Staates, um diese Ausbildung zu unterbinden, kann zu Fällen wie dem Nationalsozialismus führen, wo die Kinder mit Werten indoktriniert wurden, die denen ihrer Eltern fern waren. Totalitäre Systeme neigen dazu, die Erziehung an sich zu reißen, um das Wasser auf ihre eigenen Mühlen zu leiten.
    Skorka : Eine Botschaft übermittelt man dem Kind ja immer: durch das, was man sagt oder tut, oder das, was man nicht sagt oder nicht tut. Eine Botschaft ist immer da. Warum sollten wir darauf verzichten, unsere weiterzugeben? Die Religion ist ein Angebot an den Menschen, der den Sinn seiner Existenz sucht. Ein Philosoph, der seine Wahrheit gefunden hat, will sie ja auch lehren und mit anderen teilen. Eine Botschaft muss ich allen mitteilen dürfen: Manche hören sie dann, andere nicht. Trotzdem muss ich sie verkünden. Diese Frage ist für alle Religionen entscheidend, sonst ist es irgendwann vorbei mit religiösen Institutionen. Dabei muss man eines klar sehen: Religion, das heißt nicht nur – weder im Judentum noch im Christentum –, dass man ins Gotteshaus geht, zu Gott betet, und damit hat es sich. Der Weg zu Gott führt über den Nächsten. Ein religiöser Mensch muss sein Leben an Werten orientieren, die seinen Glauben an eine transzendente Wirklichkeit widerspiegeln. Genau das ist die Botschaft, die man Schülern übermitteln sollte, damit sie entwickelt und zum Teil ihrer Erziehung werden kann. In den jüdischen Gesetzestexten ist außerdem das Gebot, die Eltern zu ehren, eng verknüpft mit dem, den Meister zu ehren. Judentum, das ist im Wesentlichen Erziehung. Immer wird etwas weitergegeben. Denken wir nur an den Begriff »Rabbiner«, der ja nichts anderes bedeutet als »Lehrer«.
    Bergoglio : Die Schule erzieht zum Transzendenten hin, genau wie die Religion. Doch im Bereich der Schule die Tore nicht für die religiöse Weltsicht zu öffnen, heißt die harmonische Entwicklung eines Kindes zu schädigen. Denn sie trägt zu seiner Identität bei, indem sie dieselben Werte übermittelt, die der Vater hat und die in das Kind hineingelegt werden. Man raubt ihm das kulturelle und religiöse Erbe. Wenn man der Erziehung die Tradition der Eltern nimmt, bleibt nur Ideologie. Man sieht nicht mit unbefangenen Augen auf das Leben, und auch in der Erziehung gibt es keine aseptische Hermeneutik. Die Worte sind mit Geschichte, mit Lebenserfahrungen getränkt. Lässt man eine Leerstelle, wird sie von Vorstellungen fern der Familientradition besetzt; so entsteht Ideologie. Ich erinnere mich, dass es an der Handelsschule einen kommunistischen Lehrer gab. Wir hatten einen tollen Draht zu ihm, er stritt mit uns über alles und das tat uns sehr gut. Aber er log uns nie an, er sagte immer, von wo aus er mit uns sprach, was seine Hermeneutik und seine Weltsicht waren.
    Skorka : Ich konnte in meiner Schulzeit mit den wenigsten Lehrern über das Leben sprechen. Die meisten ließen dafür schlicht keinen Raum. Aber wir Schüler haben uns trotzdem gefragt: Was denkt dieser Mann, der mir Physik oder Chemie beibringt, über das Leben? Erziehung darf nichts Unpersönliches sein, es muss immer ein Dialog stattfinden. Bei uns hatte der Unterricht etwas Mechanisches. Man hat uns euklidische Geometrie beigebracht, aber nichts über die verschiedenen Weltanschauungen. Der Stoff wurde kalt präsentiert, ohne Botschaft, ohne Menschlichkeit. Man sollte einen Konsens anstreben, bei dem alle Sichtweisen respektiert werden, aber immer auf der Basis der Transzendenz des Menschen, Transzendenz in einem weit gefassten Sinn. Lehrer halten sich oft strikt an den Stoff, öffnen ihr Herz nicht. Wir wollen nicht, dass Religion einengt, aber wir wollen auch nicht das Gegenteil.
    Bergoglio : Es gibt einen Unterschied, ob man ein Lehrer oder ein Meister ist. Der Lehrer unterrichtet einfach nur sein Fach, während der Meister, der wahre Lehrer, sich selber einbringt. Er ist zutiefst an seinem Unterricht beteiligt. Seine Lehre und sein Leben stimmen überein. Er gibt nicht bloß den Stoff der Wissenschaft wieder, wie es der Lehrer tut. Man muss den Männern und Frauen helfen, damit sie mit ihrem eigenen Beispiel lehren und Meister werden können. Das ist der Schlüssel zur Erziehung.

21. Über Globalisierung
    Bergoglio : Wenn wir uns die Globalisierung wie eine Billardkugel vorstellen, wird das reiche Vermögen jeder einzelnen Kultur ausgelöscht. Die wahre, zu verteidigende Globalisierung ist wie die Figur eines
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