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Über Himmel und Erde: Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka - Das persönliche Credo des neuen Papstes (German Edition)

Über Himmel und Erde: Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka - Das persönliche Credo des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Über Himmel und Erde: Jorge Bergoglio im Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka - Das persönliche Credo des neuen Papstes (German Edition)
Autoren: Jorge (Papst Franziskus) Bergoglio , Abraham Skorka
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Polyeders, wo sich alle eingliedern, jedoch jeder Einzelne seine Eigenheit bewahrt, die wiederum alle anderen bereichert.
    Skorka : Wenn ich an Globalisierung denke, dann zunächst einmal eher naiv. Ich finde es zum Beispiel gut, dass auf jedem Flughafen der Welt die gleichen Schilder benutzt werden, weil man sich dadurch leichter zurechtfindet. In diesem Sinn finde ich Globalisierung eine tolle Sache. Überhaupt nicht begreifen kann ich allerdings, wie Musikgruppen aus den USA plötzlich in Budapest für Furore sorgen können. Diese Phänomene haben Gegenbewegungen hervorgebracht, die die eigene Identität betonen, auch im Judentum, im Christentum und im Islam. Dass Unternehmen international kooperieren, finde ich nicht schlecht, vorausgesetzt natürlich, es gibt Regeln, die dafür sorgen, dass nicht ein großer Teil der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Es ist gut, dass die Welt miteinander agiert, solange sie sich an gewisse Normen hält, die einen destruktiven Materialismus verhindern. Es ist gut, dass die Völker Umgang miteinander pflegen, solange jeder seine Identität bewahrt und stärkt. Ein kluges Volk hat Vertrauen in sich selbst, es schaut sich an, was die anderen Völker machen, und entscheidet dann, was ihm gefällt und was nicht. So war es zum Beispiel bei den Juden vor der Invasion durch Alexander den Großen: Der Talmud ist gespickt mit griechischem und griechisch-lateinischem Denken. Errungenschaften darf man nicht ignorieren. Wer an die eigenen Stärken glaubt, kann problemlos einen tiefen Dialog mit anderen führen. So verstehe ich jedenfalls die kulturelle Globalisierung. Aber wenn ein Land kein Vertrauen in sich selbst hat, keine klaren Regeln, wenn nicht Nächstenliebe vorherrscht, sondern gegenseitige Ausbeutung, dann kommt es zu den Krisen, wie wir sie neuerdings erleben.
    Bergoglio : Die gleichmacherische Globalisierung ist ihrem Wesen nach imperialistisch und in ihrem Wirken liberal, menschlich jedoch ist sie nicht. Letztendlich ist es eine Art, die Völker zu versklaven. Wie ich schon gesagt habe: Man muss die Vielfalt in der harmonischen Einheit der Menschheit bewahren. Sie haben einige gute Dinge am Geist der Globalisierung genannt, die helfen, uns besser zu verstehen, doch wenn der Schwerpunkt ein bisschen anders liegt, unterjocht sie die Völker. Hier spricht man gewöhnlich vom »Schmelztiegel der Rassen«. Wenn man das im poetischen Sinn tut, ist es in Ordnung. Doch wenn man damit meint, die Völker miteinander zu verschmelzen, ist etwas faul daran: Ein Volk muss seine Identität bewahren und sich zugleich harmonisch zwischen die anderen einfügen.
    Skorka : Diejenigen, die in Argentinien von einem »Schmelztiegel der Rassen« sprachen, wollten einen Modellargentinier schaffen, und dafür sollte jeder seine Identität verleugnen und sich diesem Ideal anpassen. Austausch zum Wohl aller war nicht erwünscht. Mit anderen Worten: Diese Leute waren Extremisten.
    Bergoglio : Fundamentalisten. Ein charakteristisches Thema für unsere Geschichte ist die Fähigkeit zur Vermischung, die Argentinien bewiesen hat. Das zeigt eine gewisse Universalität sowie Achtung vor der Identität des anderen. Ich glaube, innerhalb Lateinamerikas waren Argentinien, Uruguay, der Süden Brasiliens und ein Teil Chiles die Regionen, in denen es am stärksten zur Vermischung gekommen ist, im guten und reichen Sinn des Wortes, wo die Begegnung der Kulturen an erster Stelle stand und nicht die Verschmelzung. Ich mag es, wenn bei Festlichkeiten die verschiedenen Gemeinschaften auftreten. Deshalb war ich ganz einverstanden, wie es die Regierung bei der Organisation der Zweihundertjahrfeier der Unabhängigkeit gemacht hat, als allen Gemeinschaften Raum gegeben wurde und die vielen verschiedenen Facetten gezeigt wurden.

26. Über einige geschichtliche Themen: die Eroberung Lateinamerikas, den Sozialismus und den Peronismus
    Bergoglio : Wenn man von der Beteiligung der Kirche an der spanischen Eroberung spricht, muss man bedenken, dass der amerikanische Kontinent keine harmonische Einheit ursprünglicher Völker war, sondern dass das Reich der Stärksten über die Schwächeren herrschte. Sie lebten bereits im Krieg. Das war eine Realität, es gab Völker, die von den Stärkeren, den weiter Entwickelten, wie zum Beispiel den Inkas, unterjocht waren. Die historische Interpretation muss man gemäß der Hermeneutik der Epoche vornehmen; sobald wir eine aus dem Zusammenhang gerissene Hermeneutik verwenden, verzerren wir die
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