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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt
Autoren: Robert Spaemann
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oder, wie Auguste Comte sagte,
Savoir pour prévoir, prévoir pour prévenir, prévenir pour pouvoir.
Um die Natur zu beherrschen, ist es überflüssig, sie nach dem Modell des Verstehens von unseresgleichen zu verstehen. Die Dinge der Natur sind nicht unseresgleichen. Und es ist nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich, sie so zu betrachten. Man soll nicht die Natur verstehen, man soll sie erklären, und das heißt, man soll wissen, wie sie funktioniert.
    Eine Sache kennen heißt nach Thomas Hobbes, »to know what we can do with it when we have it«.
Res cogitans
und
res extensa
haben nichts mehr gemeinsam. Denn der Begriff, der sie vergleichbar macht, ist verschwunden: der Begriff des Lebens. Die alte Trias
Esse – vivere – intelligere
wird reduziert auf den Dualismus Sein – Bewusstsein. Leben ist für Descartes ein unklarer, ein diffuser Begriff. Entweder ist das Lebewesenein bewusstes Subjekt, oder es gehört zur Welt der
res extensa
, zur Welt der trägen Objekte. Und die Philosophie als Metaphysik? Bei Descartes teilt sie sich in zwei Teile. Descartes spricht in den
Principia
von einem Baum, dessen Wurzel die Metaphysik ist, dessen Stamm die Physik und dessen Zweige, von denen man die Früchte erntet, die nutzbringenden Wissenschaften wie Medizin, Mechanik und wissenschaftliche Moral sind, das heißt in einer wissenschaftlichen Psychologie begründete Moral. Descartes trägt diesen beiden Interessen des Menschen noch Rechnung. Das Hauptinteresse ist es jetzt,
maître et possesseur de la nature
zu werden. Und die Philosophie ist vor allem Wissenschaftstheorie geworden, die diesem Ziel dient.
    Aber damit der Forscher sein psychisches und mentales Gleichgewicht bewahrt, muss er ein für allemal die Fragen, die seinen Platz im Universum und in der Totalität des Seins betreffen, klären. Metaphysik ist nicht mehr das Ziel der Wissenschaft und der Gipfel menschlicher Praxis, sondern sie ist der Grund, der, einmal gelegt, es nicht verlangt, dass man ihm mehr als einige Stunden im Jahr widmet.
    Für die Empiristen dagegen hat die Philosophie nichts mit diesem Grund zu tun. Philosophie, das heißt Wissenschaftstheorie im modernen Sinn. Was das Interesse des Menschen betrifft, sich selbst und seine Stellung in der Welt zu verstehen, so fällt es außerhalb der Rationalität. Es ist ein irrationales Interesse, nach den einen eine Schwäche, die überwunden werden muss, nach den anderen ein Bedürfnis, das man durch Sedative zufrieden stellen muss, Sedative, die geliefert werden auf Anweisung der Psychologie.
    Ich möchte ein Beispiel von dem geben, was ich unter den beiden fundamentalen Interessen der menschlichen Vernunft verstehe. Und dies in Bezug auf das, was ich gesagt habe über das Verschwinden des Begriffs des Lebens. Es gibt keinenadäquaten Begriff des Lebens ohne Rekurs auf bestimmte teleologische Begriffe. Leben, das heißt Aus-Sein-auf-etwas, Streben nach etwas, wenigstens Streben danach zu sein. Ein lebendes Wesen verstehen heißt seine Tendenz verstehen.
    Aristoteles glaubte, die Bewegungen der Elementarkörper verstehen zu können, weil er sie verstand nach Analogie zu den Lebewesen, das heißt auf teleologische Weise.
    Francis Bacon dagegen verabschiedete die
causa finalis
ganz allgemein
»tamquam virgo Deo consecrata, quae nihil parit«
, wie eine gottgeweihte Jungfrau, die nichts gebiert. Er schätzte gottgeweihte Jungfrauen offenbar nicht. Sie sind nicht produktiv. Um die Natur zu beherrschen, ist es eher lästig, die inneren Tendenzen natürlicher Wesen zu verstehen. Es genügt, die Gesetze ihres Funktionierens zu verstehen.
    Von einem Hund sagen, dass er Durst hat, ist in der nichtteleologischen Perspektive der Wissenschaft eine inadäquate Formel, denn sie nützt uns nichts, den Lauf des Hundes zum Fressnapf zu verstehen. Auf etwas aus sein, nach etwas streben, das sind, so heißt es, Anthropomorphismen. Aber ohne diese Anthropomorphismen würde kein Mensch einen Hund halten. Tiere, Pflanzen und sogar die Dinge, die nur Objekte sind, sind doch zu gleicher Zeit Begleiter, die uns in irgendeiner Hinsicht ähneln. Sich in seinem Umgang mit anderen Lebewesen jeden Anthropomorphismus verbieten führt schließlich dazu, sich eine menschliche Sprache mit Bezug auf den Menschen zu verbieten. Der Mensch selbst wird für sich zum Anthropomorphismus. Es ist uns unmöglich, ohne Anthropomorphismus über die Welt zu sprechen.
    Nietzsche hat gezeigt, dass es schon ein Anthropomorphismus ist, wenn
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