Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper
Autoren: Edgar Noske
Vom Netzwerk:
»Kennt man gar nicht von
dir.«
    »Weiß auch
nicht«, sagte Max und hörte auf, nervös auf der
Stelle zu treten. »Muß wohl am Wetter
liegen.« 
    »Ist doch
bombig«, sagte Chico.
    Auf dem Parkplatz
gegenüber ließ Wolle Ollis Traktor an. Er umkurvte
Königs frischbereiften Jaguar und Arnos Leih-Enduro, die
nebeneinander vor der Waschstraße abgestellt waren, verschwand
kurz aus dem Blickfeld und tauchte Sekunden später vor dem Tor
wieder auf. Zweimal vor und zurück, und der
Pritschenanhänger ragte in die Einfahrt.
    Wolle kam nach hinten
und klappte die Ladebordwand runter. »Rauf mit dem
Krempel.«
    »Nun mach
bloß keine Hektik«, sagte Chico.
    »Was heißt
hier Hektik? Ich will nach Hause.«
    »Keinen Bock auf
Randy?« fragte Curd. »Geht gleich los.«
    »Wird mir zu
spät«, sagte Wolle und lud die erstbeste Box
auf.
    Unwillig packten die
drei mit an. Sie hatten nicht einmal die Hälfte verstaut, als
die Tür zum Bühneneingang aufgedrückt wurde. Arno
kam als erster heraus, in seiner üblichen Motorradkluft.
Hinter ihm tauchte König auf, ganz in schwarz. Schwarze
Schuhe, schwarzer Kammgarnanzug, schwarzer Rolli, schwarzes
Zigarillo. In Verbindung mit seinem verlebten Gesicht eine
Erscheinung wie ein Pastor, der es mit den Gelübden nicht ganz
so genau nimmt.
    Arno riß sofort
seine funkelnagelneue Canon hoch. Blitze zuckten.
    Max hielt eine Hand
vor die Linse. »Du solltest den Gig knipsen, nicht die
Maloche.«
    »Hab ich doch.
Das ist schon der vierte Film.«
    König stopfte die
Hände in die Hosentaschen und fragte: »Wo bleibt denn der
große Meister?«
    »Willst du dich
als Manager anbiedern?« fragte Chico. »Dann mußt du
aber erst 'nen Englischkurs belegen.«
    »Quatsch!«
Das Zigarillo zuckte nach oben. »Aber ein Shakehands ist doch
selbstverständlich.«
    Als hätte er
gehört, daß von ihm die Rede war, kam Hansen aus dem
Wohnwagen, die Fender unter dem Arm.
    »Great job«,
sagte er und klatschte die Hände der drei Bombays ab.
»See You later.«
    »Hau rein!«
sagte Max.
    Hansen spazierte an
Königs ausgestreckter Rechten vorbei und verschwand im
Bühneneingang. König überspielte die Situation
dickfellig wie immer.
    »Netter
Kerl«, sagte er und beschäftigte seine verschmähte
Rechte, indem er den Autoschlüssel aus der Sakkotasche nahm.
»Nur kleiner, als er auf Fotos wirkt.«
    Da alle Hansen
nachblickten, fiel niemandem auf, daß eine weitere Person aus
dem Wohnwagen kletterte. Erst als sie sich zwischen Max und Chico
stellte, wurde sie bemerkt.
    Tanja war
auferstanden.
    Selbst Max, der
wußte, was geplant war, kippte beinahe aus den Stiefeln.
Christine und Gina hatten perfekte Arbeit geleistet. Christine
hatte ihr die Haare blondiert und in der Art hochgesteckt, wie
Tanja sie zuletzt getragen hatte. Gina, die eigentlich gelernte
Schneiderin war, hatte nach Max' Angaben ein lila Kleid
geschneidert, das Tanjas bis auf den letzten Faden glich. Der Stoff
war zwar etwas dünner und fiel weicher, aber das tat der
Wirkung keinen Abbruch. Dazu Combat Boots, lila Strümpfe und
Tanjas Kette mit dem Anhänger.
    »Hallo«,
sagte Margit und spielte mit dem Anhänger, als sei sie
verlegen.
    Wolle, der einzige in
der Runde, der Tanja nicht gekannt hatte, sagte: »'n Abend,
Margit.«
    Curd und Chico bekamen
Maulsperre, was Max jedoch nicht mitbekam, da er sich ganz auf
König und seine Reaktion konzentrierte. In Königs
Zügen spiegelte sich für einen Augenblick
Überraschung, vielleicht auch Neugier. Das war aber auch schon
alles. Kein Schock. Kein Schrei. Kein Starren. Nicht einmal
Unruhe.
    Ohne daß es
irgendwie gezwungen wirkte, sah König auf seine Armbanduhr und
sagte: »Ich werd mal wieder reingehen. Wird langsam
Zeit.«
    Max verstand die Welt
nicht mehr. Dabei hätte er seine Strat darauf verwettet,
daß König beim Anblick von Tanjas Ebenbild die Augen aus
dem Kopf springen würden. Und erst recht beim Anblick des
silbernen Schmetterlings, den er ja nach wie vor in seinem
Schreibtisch vermuten mußte. Und dann diese völlig
normale Reaktion.
    Kurzer Blickkontakt
mit Margit, die noch immer den Anhänger befummelte. Auch sie
signalisierte Unverständnis und Enttäuschung. Max wollte
seinen Blick schon von ihr wenden, als er bemerkte, wie ihre
Züge plötzlich geronnen.
    Sein Kopf flog
zurück zu König. Aber der hatte sich schon abgewandt und
steuerte auf den Bühneneingang zu. Und dann fiel Max' Blick
auf Arno, den er bisher überhaupt nicht beachtet
hatte.
    Arno.

34
    Arno.
    Leichenblaß.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher