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Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper
Autoren: Edgar Noske
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gegen einen Berg. Aber der Berg gab nach. Conradi
taumelte rückwärts und stolperte über den
umgestürzten Tisch.
    Max hechtete hinterher
und kassierte den Fußtritt seines Lebens. Er wurde
herumgeschleudert und landete zwischen Spüle und
Schrank.
    Keine Luft. Kein
Sauerstoff. Ein stählernes Korsett. Max japste.
    Und dann war ihm, als
sei er unter einen Trecker geraten. Ein Trecker mit
Trevirabereifung. Conradi kniete auf Max' Brustkorb und griff nach
seiner rechten Hand.
    »Ich komm
wieder, Hellenrath«, sagte Conradi. »Das hier ist nur
die Vorspeise.«
    Dann gab es einen
trockenen Knacks, als sei jemand auf ein Stöckchen getreten.
Aber Max wußte, es war ein Stück von ihm.
    Plötzlich war der
Druck auf dem Brustkorb weg. Eine Tür fiel krachend ins
Schloß. Draußen im Flur verhallte Gemecker.
    Langsam richtete Max
sich auf. Sah an sich herunter. Der kleine Finger der rechten Hand
stand in Höhe des ersten Gliedes seltsam ab.
    Zeitgleich mit der
Erkenntnis kam der Schmerz. Er raste. Raste durch Max' rechten Arm,
biß in Schulter und Brustkorb und raste wieder zurück,
um neuen Anlauf zu nehmen. Wieder und wieder. Und dann wurde es
gnädigerweise dunkel und still.
    … die
flammende Esse, der Hämmer Gesaus.
    Bellte da nicht ein
Hund?
    Max klappte die Augen
auf. Das ging. Immerhin. Als er sich aufsetzte, wurde er um
Haaresbreite wieder ohnmächtig.
    Die Taubheit, die
Finger, Hand und Arm im Griff hatte, hatte offenbar auch seinen
Kopf befallen. Nur langsam gewannen die vertrauten Konturen der
Küche wieder an Schärfe.
    Taumelig stand er auf.
In seine Knie hatte irgendwer Lenor injiziert. Max mußte sich
auf die Spüle stützen. Mit der Linken drehte er den Hahn
auf und schmiß sich drei, vier Hände Wasser ins Gesicht.
Als er das Handtuch vom Haken nahm, entdeckte er eine
dreiviertelvolle Flasche Smirnoff zwischen Spüle und Herd.
Alles, was von Curds Geburtstagsfeier vor vier Wochen
übriggeblieben war. War das wirklich erst vier Wochen
her?
    Max schnappte sich die
Flasche, stolperte über das herumliegende Kochgeschirr um den
Tisch und ließ sich hart auf die Ottomane fallen.
    Der erste Schluck
schmeckte zum Kotzen. Der Wodka war pipiwarm, aber Max
unterdrückte den Brechreiz und ließ eisern laufen. Als er
absetzte, hatte er die Hälfte weggegurgelt. Der Alkohol
kuschelte sich wohlig in seine Blutbahnen. Max ließ es jetzt
langsamer angehen.
    Die rechte Hand war
dick und rot und pulste im Takt seines Herzschlags. Und der kleine
Finger zeigte noch immer so seltsam nach außen. Als Max
versuchte, ihn gerade zu biegen, schrie er so laut auf, daß
er vor sich selbst Angst bekam.
    Ein weiterer
Schluck.
    Im Dämmerlicht
der Küche schienen die Skulpturen auf dem Schrank zum Leben zu
erwachen. Max prostete ihnen zu. Dann fiel sein Blick auf die
Tonscherben am Boden. Zerbrochen. Wie das Leben des Mädchens.
Tanja.      
    Wer hatte sie
zerbrochen?
    Tanjas Bild
verblaßte langsam und wurde durch ein anderes
überblendet. Susi, seine kleine Schwester, die vor über
zwanzig Jahren von einem Auto überfahren worden war. Der
Fahrer hatte Unfallflucht begangen und war nie gefaßt
worden.
    »Diesmal
läuft's anders«, brabbelte Max. »Diesmal zahlt
jemand dafür.«
    Am Grund der Flasche
schwappte nur noch ein kümmerlicher Rest. Das Licht, das durch
das Küchenfenster fiel, wurde matter.
    Max döste
ein.
    Plötzlich sprang
die Tür auf. Jemand fuhr ihm mit einem nassen Lappen durchs
Gesicht, und die Deckenlampe ging an.
    »Ja, Bessie,
alter Hund.«
    Der Setter jaulte und
wedelte.
    In der
Küchentür standen Wolle, der Schrat, und Olli, Max'
Nachbar. Wolle hatte seinen Langbogen über der
Schulter.
    »Mensch, wie
siehst du denn aus?« fragte Wolle.
    »Habt ihr mal
'ne Zigarette?« lallte Max. »Ich kann nicht
drehen.«

8
    Freitag,
2.September
    Die Jagd war wieder
eröffnet. Jeder Deutsche, der ein Kreuzchen machen konnte,
legte heute auf den Superjackpot an. Wenigstens behauptete das die
fette Schlagzeile der Bild, die Max von dem Kiosk
Pastor-Löh-Straße Ecke Auf der Schützeneich
entgegensprang.
    Die Fahrt nach
Burscheid war überraschend locker gewesen. Wolle hatte ganze
Arbeit geleistet und Max' Finger fachgerecht geschient. Die
Nebelbank, die der Wodka hinter sich herzog, störte da schon
mehr.
    Während Max die
Solex an den Jägerzaun lehnte, musterten ihn zwei verkaterte
Figuren in Aldi-Sonderposten-Joggerkluft, die sich an dem Kiosk mit
Underberg auffrischten. Einer trug Pantoffeln.
    Max steuerte
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