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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern
Autoren: Robert Silverberg
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her und füllten die Behältnisse mit Trinkwasser; das sie aus einer Quelle am Ufer holten. Onyos Felk brütete über seinen Navigationskarten. Dag Tharp bastelte an seinen Funkgeräten herum und stellte sie neu ein. Delagard überwachte die Checks in den Masten und Segeln, am Ruder und am Schiffsrumpf und bestimmte, wo Ausbesserungsarbeiten nötig waren, und ansonsten griff er - wie Sundira und Lawler und sogar Father Quillan - mit zu, wo es nötig war.
    Es wurde kaum gesprochen. Alle erledigten ihre Aufgaben, als wären sie Teile einer gutdurchdachten Maschinerie. Die Rückkehrer gingen behutsam mit den beiden ›Fremdkörpern‹ um und behandelten sie fast so, als wären sie entwicklungsgestörte Kinder, die besonders viel zärtliche Zuwendung brauchen; doch Lawler verspürte nicht, daß sich zwischen ihm und denen ein echter Kontakt ergab.
    Immer wieder starrte er beklommen und fragend zum Land hinüber. Das farbige Lichterschauspiel, das von dort ausging, setzte sich ununterbrochen fort. Und diese konstante berserkerhaft wilde Kraftabstrahlung faszinierte ihn ebenso, wie sie ihn abstieß. Er versuchte sich vorzustellen, wie das für die anderen gewesen sein mußte, als sie an Land gegangen waren, wie sie sich durch diese Dschungel fremdartigen kochenden Lebens bewegten. Doch er wußte auch, daß derlei Spekulationen gefährlich waren. Immer wieder einmal verspürte er - und zuweilen unerwartet stark - den Sog, der von der Insel ausging. Und dann war die Versuchung sehr stark. Es würde doch so einfach sein, sich über Bord gleiten zu lassen wie die anderen, durchs warme einladende Wasser der Bucht zu schwimmen und diesen fremden Strand hinaufzugehen...
    Aber es gelang ihm noch immer, Widerstand zu leisten. Er hatte sich so lange gegen den Sog der Insel gewehrt; er war nicht bereit, sich jetzt geschlagen zu geben. Die Vorbereitungen zur Abfahrt gingen weiter, und er blieb weiter beharrlich an Bord, und Sundira gleichfalls, während die anderen unbekümmert zwischen Schiff und Land hin und her pendelten. Es war irgendwie absurd und seltsam, aber keineswegs unangenehm. Als wäre das Leben irgendwie zwischen zwei Polen im Suspensionszustand. In gewisser Weise empfand Lawler das sogar als seltsam beglückend: Er hatte überlebt, hatte sich allen möglichen Widerwärtigkeiten mutig widersetzt und sie gemeistert; er war in den Schmelztiegel von Hydros geworfen worden und nur desto stärker und gestählter soeben dabei, daraus hervorzutauchen. Es hatte sich der Glücksfall ergeben, daß er Sundira liebte, und er fühlte, daß auch sie ihn liebte. Alles ganz neue Erfahrungen für ihn. Wie immer, wenn überhaupt, das neue Leben sein mochte, das ihm vielleicht nach dem Ende dieser Reise beschieden sein mochte, er würde gewiß besser befähigt sein als früher, mit den Untiefen und Trübstellen seiner Seele umzugehen.
    Inzwischen war das Schiff fast startklar.
    Es war nun später Nachmittag. Delagard hatte verkündet, man werde bei Sonnenuntergang aufbrechen. Daß sie im Dunkel aus dem Umkreis der Insel abfahren würden, schien ihn nicht weiter zu beunruhigen. Der Lichtschein würde das Schiff eine ganze Weile lang begleiten und lenken, und danach konnten sie sich an den Gestirnen orientieren. Von der See war nichts zu befürchten, jetzt nicht mehr. Sie würde ihnen von nun an freundlich begegnen. Alles auf Hydros würde freundlich sein.
    Auf einmal merkte Lawler, daß er allein an Deck war.
    Die anderen waren wo an Land gegangen; zu einem Abschiedsbesuch, vielleicht. Aber wo war Sundira?
    Er rief ihren Namen.
    Es kam keine Antwort.
    Einen panischen Augenblick lang dachte er, ob sie vielleicht mit hinübergegangen sein könnte. Dann sah er sie am Heck am Ladedeck. Und Kinverson stand neben ihr. Anscheinend waren die beiden tief im Gespräch.
    Verstohlen schlich Lawler sich näher an sie heran. Und dann hörte er Kinverson auf sie einreden: »Du kannst doch überhaupt nicht beurteilen, wie das ist, solang du nicht selber drüben warst. Es ist so anders, völlig verschieden von dem gewöhnlichen Menschsein - wie es lebendig sein vom tot sein ist.«
    »Ich fühl mich aber eigentlich ziemlich lebendig, so wie ich jetzt bin.«
    »Aber du hast ja keine Ahnung! Du kannst es dir nicht vorstellen. Komm doch mit mir, jetzt gleich, Sundira. Es dauert nur einen Moment. Und dann wird dir alles aufgehen. Ich bin doch auch nicht mehr der Mann, der ich früher war, oder?«
    »Eigentlich kaum noch...«
    »Und trotzdem bin ich’s. Aber ich
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