Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Ferne gewesen waren, er hatte unrecht gehabt. Es würde nie mehr eine ERDE geben, für keinen Erdabkömmling. Und für die auf Hydros lebenden Menschen gab es schlicht und klar nur Hydros. Jetzt und für immer und ewig. Es war einfach Wahnsinn, wollte man versuchen, sich abzusondern, sich für sich zu halten, sich verzweifelt an eine Erblast und ERD-Identität zu klammern, während man inmitten der alteingesessenen heimischen Lebensformen der Gastwelt zu leben versuchte. In welcher Welt man sich auch befinden mochte, dachte Lawler, man hat die Pflicht und Verpflichtung, sich zu einem vollfunktionierenden, integrierten Teil dieser Lebenswelt zu machen. Wenn du das nicht tust, wirst du immer der Außenseiter bleiben, der Fremdling, der Befremden auslöst und isoliert bleibt.
    Ja. Das war es. Und hier bin ich jetzt, und ich bin noch mehr allein, als ich es jemals vorher war. Und Hydros hatte ihm die Eingliederung angeboten, hatte ihn aufnehmen wollen, aber er hatte das zurückgewiesen, und zwar nachdrücklich und unwiderruflich, und nun war alles zu spät.
    Er schloß die Augen und sah noch einmal die ALTE ERDE vor sich in den Himmeln schweben: Hell und wunderbar. Die Vision seines verlorenen Paradieses, die er so viele Jahre mit sich herumgeschleppt hatte, loderte noch einmal - und leibhaftiger als je zuvor in seinem Gehirn auf. Der blaue Planet ERDE - so bezaubernd und so fremd - und die goldnen und grünen Landmassen, die im Lichte einer Sonne leuchteten, die er niemals gesehen hatte. Aber während er hinsah, begannen die weiten blauen Meere zu kochen. Dampf brodelte von ihnen auf. Das feste Land wurde von Flammen zerfressen. Die golden-grünen Weiten wurden braun und dann schwarz, und in ihnen taten sich tiefe scharfe Brüche auf, schwärzer als die Nacht.
    Und nach dem Feuer - Eis, Tod, Finsternis. Ein Regen von kleinen toten Dingen rieselte durch den Weltraum. Eine Münze, das Fragment einer kleinen Statue, ein Tonscherben, eine Karte, eine verrostete Waffe, ein Steinsplitter. Und das torkelte und stürzte ziellos und wirr durch die weiten stillen Wüsten der Galaxie. Lawler verfolgte ihre Fugbahnen mit dem Blick.
    Und alles dahin, dachte er. Gib’s auf! Laß es los! Fang ein neues Leben an!
    Die Plötzlichkeit, mit der diese Idee ihm kam, überraschte ihn.
    Wie? Was war das? Was hast du da grad gesagt? fragte er sich selber.
    Aufgeben? Sich aufgeben? Preisgeben und mitmachen? War es das? Lawler begann zu zittern, und ihm brach der Schweiß am ganzen Körper aus. Er setzte sich auf und schaute hinaus auf die See, zurück zu der fernen Insel und dem ›Antlitz‹.
    Und nun hatte er den Eindruck, als spüre er diese Kraft von drüben trotz allem, als könne sie ihn trotz der Entfernung erreichen, in sein Denken eindringen, ihre Tentakel um seine Seele schlingen und ihn mitreißen, ihn an sich ziehen.
    Er wehrte sich dagegen. Wild und heftig und voller Wut kämpfte er und biß gegen dieses Fremde an, gegen diese Potenz, die sich seiner bemächtigen wollte. Stumm kämpfte er einen endlosen Augenblick lang dagegen an und versuchte, die in ihn vordringenden Energien wieder aus sich herauszufiltern. In seinem Geist tauchte das Bild Gospo Struvins auf, wie der damals, ganz zu Beginn der Reise, vergeblich gegen dieses dumpfigfeuchte gelbliche Faserngewächs angekämpft hatte, das aus der See heraufgestiegen war und ihn zu umstricken und einzuwickeln versuchte. Und wie Struvin in der Luft gezappelt hatte, wie er den Fuß geschleudert hatte in dem vergeblichen Versuch, sich von diesem klebrigen hartnäckigen Zeug zu befreien, das ihn umwickelte. Und so war es auch jetzt. Lawler wußte, daß er jetzt genauso um sein Leben kämpfte wie damals Gospo. Und Gospo hatte verloren.
    Geh - weg - von - mir!
    Er raffte alle seine inneren Kräfte zu einem großen reinigenden Befreiungsschlag zusammen und stieß zu.
    Und stieß gegen - nichts. Da war nichts. Keine Netze oder Fesseln banden ihn. Keine unerklärliche Macht packte ihn in irgendeiner Würgeschlinge. Und er verstand es, begriff es über jeden Zweifel erhaben. Er kämpfte gegen SCHATTEN an, rang mit sich selbst, gegen sich selbst und gegen niemanden und nichts sonst.
    Also - willst du jetzt doch überlaufen? fragte er sich dumpf. Trotz allem, jetzt willst auch du gehen? Sogar du? Und willst du es wirklich? Aber was willst du eigentlich im Leben wirklich?
    Und wieder sah er die blaue ERDE, und in seiner Vorstellung leuchtete und schimmerte sie wie früher. Und dann begann sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher