Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Autoren: Sigrid Lenz
Vom Netzwerk:
Kopf, über sich und über seine Dummheit. Er biss sich auf die Lippen, zuckte mit den Schultern und ging schließlich entschlossenen Schrittes auf die Garderobe zu. Trug er doch immer noch die Samt Uniform, die dazu gedacht war, im Scheinwerferlicht überirdisch zu schimmern, doch unter der sich die Hitze staute, bis sie unerträglich wurde.
    Aber dann erstarrte Nathan. Er war nicht alleine. Natürlich war er nicht alleine. Wie naiv auch, dergleichen anzunehmen.
    Wasser plätscherte in der Dusche. Jemand hatte bis zu diesem Augenblick gewartet, gewartet, bis es still geworden war, um sich frisch zu machen. Jemand, der allein sein wollte.
    Nathan zuckte instinktiv zurück. Doch der kurze Blick hatte genügt, hatte ihm mehr gezeigt, als er jemals gehofft, jemals vermutet hatte.
    Liam war nicht gegangen. Liam schlang sich in diesem Augenblick ein weißes Handtuch um die Hüften und stellte das Wasser ab. Liam, der sich an der Wand abstützte. Liam, der vorsichtig und langsam auf den glatten Fliesen, den Weg zur Bank zurücklegte. Der sich mit einem leisen Stöhnen darauf niedersinken ließ und dann zu seinem Knöchel herabbeugte.
    Nathan konnte nicht anders. Er beugte sich erneut vor. Wollte sich nur versichern, dass alles in Ordnung war. Nur versichern, ob er nicht doch eine Hilfe sein konnte. Er spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg. Und doch musste er es tun.
    Sein Blick fiel auf den verfärbten Knöchel. Nathan sog erschrocken die Luft ein. Ein leichtes Geräusch, das dennoch ausreichte, um Liam hochfahren zu lassen.
    Zu Nathans großer Verwunderung bemerkte er, dass auch Liams Gesicht dunkel anlief, als fühlte er sich ertappt, erwischt bei etwas Verbotenem.
    Nathan öffnete verlegen den Mund. Er wollte etwas sagen, etwas Belangloses, ein Wort der Erklärung, vielleicht der Entschuldigung, doch kein Laut kam über seine Lippen.
    Ihre Blicke trafen sich kurz, sehr kurz, nur um wieder voneinander weg zu driften. Wasser tropfte aus Liams Haar, ließ es schwarz wirken. Obwohl der Glimmer im Abfluss verschwunden war, glänzten die Strähnen, die sich auf seiner bronzenen Haut kringelten, im grellen Licht der Leuchtröhren.
    Schließlich räusperte Liam sich, leckte sich die Lippen, schüttelte sein Haar. Erst dann drehte er sich zur Seite, legte den Kopf schief und sah Nathan auffordernd an.
    Dieser spürte, wie ihm noch mehr Blut ins Gesicht schoss und er verwünschte verzweifelt seine Verlegenheit.
    „Ich… ähm…“, begann er. „Ich wollte nicht stören. Ich… ich dachte, ich wäre der Letzte hier.“
    Liam zuckte mit den Schultern. „Du störst nicht…“ Er ließ eine Pause einfließen, deutlich genug, um seine Frage indirekt zu formulieren.
    „Nathan“, ergänzte der Blonde. „Ich spiele…“
    Doch Liam unterbrach ihn, noch bevor Nathan den Satz vollenden konnte.
    „Ich weiß, wen du spielst“, sagte er schnell, beinahe verlegen. „Du bist seit drei Monaten bei uns.“
    Nathan nickte erstaunt und fühlte gleichzeitig eine undefinierbare Wärme in sich aufsteigen. Liam erinnerte sich an ihn.
    Es war nun an ihm, sich zu räuspern. „Wie geht es dem Knöchel?“, fragte Nathan mit einem Blick auf Liams Fuß, den dieser vorsichtig massierte.
    „Ach…“ Liam verzog die Lippen. „So auffällig?“
    Nathan schüttelte rasch seinen Kopf. „Nein, ich hab nur… während der Aufführung ist es mir aufgefallen.“
    „Ja.“ Liam stöhnte. „Ich bin unglücklich aufgekommen. Hab mich wohl nicht gut genug aufgewärmt. Und all das nur, weil…“ Er verstummte, seufzte.
    „Immer diese Hektik“, sagte er schließlich und betastete die Schwellung.
    „Ich wollte nicht, dass es jemand bemerkt.“ Er lächelte leicht. „Dumm, nicht wahr? So etwas wird immer bemerkt.“
    Er schüttelte über sich selbst den Kopf, so dass winzige Tropfen Wassers durch die Luft stoben.
    „Das ist nicht dumm“, wandte Nathan ein. „Nur zu verständlich.“
    „Ja.“ Liams Lächeln verbreiterte sich. „Aber ein König sollte keine Schwäche zeigen.“
    „Nein, das wohl nicht.“ Nathan lächelte ebenfalls, doch wurde gleich wieder ernst. Er überlegte einen Moment, ob er die Frage stellen dürfe, überwand sich schließlich. „Soll… soll ich dich vielleicht ins Krankenhaus bringen, dass sich jemand den Knöchel mal ansieht?“
    „Nein. Nein danke“, erwiderte Liam rasch und erhob sich. „Es ist nicht so schlimm“, lächelte er entschuldigend. „Nicht so schlimm, dass es nicht mit einem Eisbeutel und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher