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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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Flasche mißtrauisch anblickte und fragte: «Was ist darin?»
    «Englischer Grappa.»
    «Ich kann’s mal versuchen.»
    Er nahm einen langen Schluck, in der Art, wie Bauern aus einer Flasche trinken.
    «Danke.»
    «War die Jagd gut?»
    «Ich habe vier Enten getötet. Der Hund hat drei von anderen Leuten angeschossen gefunden.»
    «Warum haben Sie geschossen?»
    «Es tut mir leid, daß ich geschossen habe. Ich schoß aus Ärger.»
    Das hab ich selbst auch manchmal getan, dachte der Colonel und fragte ihn nicht, worüber er sich geärgert hatte.
    «Es tut mir leid, daß nicht mehr eingeflogen sind.»
    «Scheiße», sagte der Colonel. «Das ist der Lauf der Dinge.»
    Der Colonel beobachtete die Bewegungen des Hundes in dem hohen Gras und Schilf. Plötzlich sah er, daß er still stand; er hielt sich ganz bewegungslos. Dann machte er einen Satz. Es war ein Sprung in die Höhe und ein Sturz nach vorn und hinab.
    «Er hat eine Angeschossene», sagte er zu dem Bootsmann.
    «Bobby», rief der Bootsmann. «Apport. Apport.»
    Das Schilf bewegte sich, und der Hund kam mit einem Erpel im Maul zum Vorschein. Der grauweiße Hals und der grüne Kopf schlenkerten auf und ab, wie Hals und Kopf einer Schlange sich bewegen mochten. Es war eine Bewegung ohne jede Hoffnung.
    Der Bootsmann lenkte das Boot scharf dem Ufer zu.
    «Ich werde ihn abnehmen», sagte der Colonel. «Bobby!»
    Er nahm den Erpel aus dem Hundemaul, das nur leicht zugepackt hatte, und als er ihn hielt, fühlte er, daß ihm nichts geschehen war. Er war gesund und schön mit seinem klopfenden Herzen und den trostlosen Augen des Gefangenen.
    Er besah ihn sich sorgfältig und streichelte ihn beruhigend, wie man ein Pferd beruhigen würde.
    «Er ist nur leicht am Flügel getroffen», sagte er. «Wir wollen ihn als Lockerpel behalten, oder Sie können ihn auch im Frühjahr wieder freilassen. Hier, nehmen Sie ihn und stecken sie ihn zu dem Weibchen in den Sack.»
    Der Bootsmann nahm ihn sorgfältig dem Colonel ab und steckte ihn in den Drillichsack, der in der Plicht lag. Der Colonel hörte, wie das Weibchen ihn begrüßte. Vielleicht protestierte es auch, dachte er. Durch einen Drillichsack hindurch konnte er die Entensprache nicht verstehen.
    «Hier, trinken Sie einen Schluck», sagte er zu dem Bootsmann. «Heut ist es verflucht kalt.»
    Der Bootsmann nahm die Flasche und trank noch einen tiefen Zug.
    «Danke», sagte er. «Ihr Grappa ist sehr, sehr gut.»

43
    Vor dem langen, steinernen Haus am Kanal, an der Anlegestelle, lagen die Enten in Reihen ausgerichtet am Boden.
    Man hatte sie in Reihen hingelegt, die alle verschieden lang waren. Es gab ein paar Züge, keine Kompanien, und, dachte der Colonel, ich habe kaum eine Korporalschaft.
    Der Jagd-Oberaufseher stand am Ufer in seinen hohen Stiefeln, seiner kurzen Jacke und seinem in den Nacken geschobenen alten Filzhut und musterte, als sie landeten, kritisch die Anzahl der Enten auf dem Bug des Boots.
    «An unserem Posten war es zugefroren», sagte der Colonel.
    «Das habe ich befürchtet», sagte der Oberaufseher. «Es tut mir leid. Er galt als der beste Posten.»
    «Wer war Jagdkönig?»
    «Der Barone hat zweiundvierzig getötet. Dort war eine kleine Strömung, die es eine Zeitlang aufhielt. Sie haben wahrscheinlich das Schießen nicht gehört, weil es gegen den Wind war.»
    «Wo sind die anderen?»
    «Sie sind alle fort, bis auf den Barone, der auf Sie wartet. Der Fahrer ist im Haus und schläft.»
    «Das sieht ihm ähnlich», sagte der Colonel.
    «Breiten Sie sie ordentlich aus», sagte der Oberaufseher zu dem Bootsmann, der auch ein Jagdaufseher war. «Ich will sie im Jagdbuch eintragen.»
    «Ein grünköpfiger Erpel, der nur leicht am Flügel verletzt wurde, ist im Sack.»
    «Gut. Ich werde mich um ihn kümmern.»
    «Ich will jetzt hineingehen und mit dem Barone sprechen. Ich sehe Sie nachher noch.»
    «Sie müssen sich aufwärmen», sagte der Oberaufseher. «Es war ein bitterkalter Tag, Colonel.»
    Der Colonel ging der Haustür zu.
    «Ich sehe Sie nachher noch», sagte er zu dem Bootsmann.
    «Jawohl, my Colonel», sagte der Bootsmann.

    Alvarito, der Barone, stand vor dem offenen Feuer in der Mitte des Zimmers. Er lächelte sein schüchternes Lächeln und sagte mit seiner tief klingenden Stimme: «Es tut mir leid, daß die Jagd nicht besser war.»
    «Wir waren völlig eingefroren. Was aber war, hab ich sehr genossen.»
    «Ist Ihnen sehr kalt?»
    «Nicht so sehr.»
    «Wir können etwas zu essen bekommen.»
    «Danke.
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