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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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in vollen Zügen, natürlich nur, falls nicht irgend etwas damit verknüpft war, was mit seinem Dienst zusammenhing.
    Gestern abend hatte man, nachdem der Grappa die Runde gemacht hatte, allerhand gute Lügen verzapft, und der Colonel hatte es genossen.
    Im Zimmer war Rauch gewesen von dem offenen Holzkohlenfeuer, nein, dachte er, es waren Holzkloben. Wie dem auch war, ein Lügner lügt am besten, wenn ein bißchen Rauch da ist oder nach Sonnenuntergang.
    Er selbst hatte beinahe zweimal gelogen; er hatte sich aber im Zaum gehalten und nur übertrieben. Ich hoffe wenigstens, dachte er.
    Jetzt die zugefrorene Lagune hier konnte alles verderben. Aber es wurde nicht verdorben.
    Ein paar Spießenten kamen plötzlich von irgendwoher, schossen schräg nieder in einem Sturzflug, wie kein Flugzeug ihn je gemacht hat, und der Colonel hörte ihren schnellen Flügelschlag und hob sein Gewehr und schoß den Erpel ab. Er lag auf dem Eis; er schlug so stark auf, wie eine Ente auf Eis aufschlagen kann, und bevor er noch unten war, hatte der Colonel bereits das Weibchen getötet, das mit langgestrecktem Hals eilig emporstieg.
    Es fiel neben dem Erpel nieder.
    Der reinste Mord, dachte der Colonel. Und was ist heutzutage nicht Mord? Aber, Junge, schießen kannst du noch.
    Junge, verflucht noch mal! dachte er. Du ramponierter alter Hundsfott, du. Aber sieh mal, wie sie jetzt einfliegen.
    Es waren Pfeifenten, und sie kamen in einem Rauschen, das geronn und dann in nichts zerfloß. Dann schwoll es von neuem an, und die verräterische Ente auf dem Eis fing an, mit ihnen zu schnattern.
    Laß sie noch einmal wenden, sagte der Colonel zu sich. Behalt den Kopf unten und beweg noch nicht mal die Augen. Sie werden einfallen.
    Und wie sie einfielen, während die Verräterin auf sie einredete.
    Ihre Flügel waren plötzlich zum Niedergehen festgestellt, wie wenn man die Landeklappen ausfährt. Dann sahen sie, daß es Eis war, und sie hoben sich und stiegen aufwärts.
    Der Jäger, der jetzt kein Colonel war, sondern nichts als ein Schütze, erhob sich in der hölzernen Tonne und traf zwei. Sie schlugen beinahe so stark auf dem Eis auf wie die großen Enten.
    Zwei sind genug von einer Familie, sagte der Colonel. Oder war es ein Volk?
    Der Colonel hörte einen Schuß hinter sich; er wußte, daß dort kein anderer Schirm war, und er wandte den Kopf, um über die gefrorene Lagune hinweg bis zu dem fernen mit Riedgras gesäumten Ufer zu blicken.
    Das hat sie vergrämt, dachte er.
    Ein Schwarm Wildenten, der tief eingeflogen war, jagte hinauf in den Himmel; sie schienen auf ihren Sterzen zu stehen, als sie stiegen.
    Er sah eine fallen; dann hörte er einen zweiten Schuß.
    Es war der mürrische Bootsführer, der auf die Enten schoß, die dem Colonel sonst gekommen wären.
    Wie kann er das nur tun? dachte der Colonel.
    Der Mann hatte eine Flinte, um irgendwelche krankgeschossenen zu erschießen, die vielleicht dorthin entkommen waren, wo der Hund sie nicht kriegen konnte. Daß er auf Enten schoß, die auf den Schirm des Colonel zuflogen, war das Schlimmste, was ein Mann einem andern auf der Jagd antun konnte.
    Der Bootsmann war zu weit entfernt, um sein Rufen zu hören. Darum feuerte der Colonel zweimal in seine Richtung.
    Es ist zu weit, als daß die Schrote ihn treffen könnten, dachte er, aber er wird wenigstens wissen, daß ich weiß, was er tut. Was soll das Ganze nur bedeuten, verflucht noch mal? Noch dazu auf einer so wunderbar organisierten Jagd wie dieser? Dies ist die am besten geleitete und organisierte Entenjagd, auf der ich je geschossen habe, und ich hab das Schießen hier so sehr genossen, wie ich’s je im Leben getan habe. Was ist denn mit dem Scheißkerl nur los?
    Er wußte, wie schlecht ihm jeder Ärger bekam. Deshalb nahm er zwei von den Tabletten und spülte sie, da kein Wasser da war, mit einem Schluck Gordon-Gin aus seiner Taschenflasche hinunter.
    Er wußte, daß auch Gin schlecht für ihn war, und er dachte, alles ist schlecht für mich außer Ruhe und etwas leichte Bewegung. Okay, Ruhe und etwas leichte Bewegung, Junge. Hältst du das für etwas leichte Bewegung?
    Du Schöne, sagte er zu sich. Ich wünschte, du wärst jetzt hier, und wir wären in einem Schirm für zwei, und wir könnten nur gerade spüren, wie unsere Schulterblätter einander berührten. Ich würde mich nach dir umblicken und dich sehen, und ich würde auf die allerhöchsten Enten schießen, um dir zu imponieren, und versuchen, eine in den Schirm fallen zu
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