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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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lassen, ohne daß sie dich dabei träfe. Ich werde mal versuchen, eine auf die Art herunterzuholen, sagte er, als er die Flügel in der Luft pfeifen hörte. Er stand auf, wandte sich um und sah einen einzelnen Erpel, langhalsig und wunderschön, mit schnell schlagenden Flügeln, der aufs Meer zuhielt. Er sah ihn scharf und klar und hoch am Himmel, mit den Bergen im Hintergrund. Er hatte ihn aufs Korn genommen, folgte ihm mit dem Gewehr über seinem Kopf so weit zurück, wie er konnte, und zog ab.
    Der Erpel fiel auf das Eis, genau außerhalb des Schirmbereichs, und zerbrach das Eis, als er aufschlug. Es war das Eis, das aufgebrochen gewesen war, um die Lockenten auszusetzen, und es war wieder leicht zugefroren. Die Lockente blickte ihn an, als er da lag, und paddelte mit den Füßen.
    Du hast ihn nie zuvor im Leben gesehen, sagte der Colonel zu dem Entenweibchen. Ich glaube noch nicht einmal, daß du gesehen hast, als er kam. Obschon das möglich wäre. Aber gesagt hast du nichts.
    Der Erpel war mit dem Kopf zuerst aufgeschlagen, und der Kopf war unter dem Eis. Aber der Colonel konnte das wunderschöne Wintergefieder an Brust und Flügeln sehen.
    Ich würde ihr gern eine Weste schenken, die aus dem ganzen Gefieder gemacht ist, so in der Art wie die, mit denen die alten Mexikaner ihre Götter zu schmücken pflegten, dachte er. Aber wahrscheinlich müssen diese Enten auf den Markt geschickt werden, und es würde sowieso niemand wissen, wie man sie häutet und die Bälge gerbt. Es könnte jedoch wunderschön werden aus Wilderpelbälgen für den Rücken und Krickenten fürs Vorderteil mit zwei Längsstreifen von Eiderenten, von denen jeder über eine ihrer Brüste liefe. Wär eine tolle Weste. Ich bin ziemlich sicher, daß sie ihr gefallen würde.
    Ich wünschte, es würden welche einfliegen, dachte der Colonel. Ein paar törichte Enten könnten einfliegen. Ich muß in Bereitschaft bleiben, falls sie kommen. Aber es kam keine, und er dachte nach.
    Von den anderen Schirmen her hörte man keine Schüsse und nur gelegentlich Schüsse vom Meer her.
    Bei dem guten Licht konnten die Vögel das Eis sehen, und sie flogen nicht mehr ein, sondern flogen an Stelle dessen hinaus auf die offene See und bildeten dort eine Art Floß. Also gab es für ihn nichts zu schießen, und er dachte, ohne es beabsichtigt zu haben, darüber nach und suchte festzustellen, wie es dazu kommen konnte. Er wußte, er hatte es nicht verdient, und er nahm es entgegen wie ein Geschenk und lebte davon, aber immer wieder suchte er es zu verstehen.
    Einmal waren es zwei Matrosen gewesen, als er mit dem Mädchen nachts spazierengegangen war. Sie hatten ihr gepfiffen, und der Colonel dachte, daß das relativ harmlos war und er es besser nicht beachtet hätte.
    Aber irgendwas stimmte da nicht. Er spürte es, bevor er es wußte. Dann wußte er es genau, weil er unter einer Laterne stehengeblieben war, so daß sie sehen konnten, was er auf den Schultern trug, und sie auf die andere Seite der Straße hätten gehen können.
    Was er auf jeder Schulter trug, war ein kleiner Adler mit gespreizten Flügeln. Er war mit Silberfäden auf den Mantel, den er trug, gestickt. Er war nicht auffallend, und er war dort schon eine lange Zeit. Aber sichtbar war er.
    Die beiden Matrosen pfiffen von neuem. «Bleib dort drüben an der Wand, wenn du’s mitansehen willst», hatte der Colonel zu dem Mädchen gesagt. «Oder sieh weg.»
    «Sie sind sehr groß und jung.»
    «Groß werden sie nicht lange sein», versicherte ihr der Colonel.
    Der Colonel ging auf die Pfeifenden zu.
    «Wo ist eure Militärpolizei?» fragte er.
    «Woher sollte ich das wissen?» sagte der Größere. «Ich will mir ja nur mal die Puppe da ordentlich ansehen.»
    «Haben Kerls wie ihr Namen und Seriennummern?»
    «Woher soll ich das wissen», sagte der Kleinere.
    Der andere sagte: «Ich würd’s einem lausigen Colonel der Infanterie sicher nicht sagen, wenn ich eine hätte.»
    Alter Soldatenjunge, dachte der Colonel, bevor er ihm eine reinschlug. Oller Rechthaber. Weiß aber genau Bescheid.
    Aber er versetzte ihm einen Linken aus heiterem Himmel und traf ihn dreimal hintereinander, als er losging.
    Der andere, der zuerst gepfiffen hatte, hatte für einen leicht angetrunkenen Mann schnell und gut abgedeckt, und der Colonel setzte ihm den Ellbogen in die Schnauze und dann versetzte er ihm unter der Laterne einen anständigen Rechten. Nachdem er ihn gelandet hatte, warf er dem anderen Matrosen einen Blick zu und
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