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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder
Autoren: Ernest Hemingway
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erhalten, sich nicht völlig an den Geist der Genfer Konvention gehalten hatte, von der angeblich die Kriegführung beherrscht wird.
    «Jagen wir sie mal richtig», hatte sein bester Freund gesagt.
    «Nichts hält uns auf, und ich garantiere, daß sie an keiner der beiden Stellen stoppen werden. Das hab ich nicht von irgend ‘nem Kraut. Das sagt mir mein Verstand.»
    Er blickte nochmals über das Land hin und hörte den Wind in den Bäumen und roch das Heidekraut unter ihren Stiefeln und blickte nochmals auf die Spuren in dem nassen Sand, und das war das Ende von dieser Geschichte.
    Ob ihr das wohl gefiele? dachte er. Nein. Es macht zuviel von mir her. Ich hätte jedoch gern, daß ihr’s jemand anderer erzählte und ordentlich was von mir hermachen würde. George kann es ihr nicht erzählen. Er ist der einzige, der’s ihr erzählen könnte, und er kann’s nicht. Totensicher nicht.
    Ich hab immer über 95 Prozent recht gehabt, und das ist ein verflucht guter Durchschnitt selbst bei so etwas einfachem wie Krieg. Aber jene 5 Prozent, wo ich unrecht hatte, die hatten’s in sich, und ob!
    Hierüber werde ich dir nichts erzählen, Tochter. Das ist einfach ein Geräusch in meinem Herzen, das man hinter den Kulissen hört. Mein lausiges Hasenherz. Dies Scheißherz ist wahrhaftig dem Tempo nicht gewachsen.
    Vielleicht schafft’s es doch noch, dachte er und nahm zwei von den Tabletten und einen Schluck Gin und blickte über das graue Eis hinweg.
    Ich werde diese sauertöpfische Type jetzt heranrufen und zusammenpacken und mich, verflucht noch mal, zu dem Bauernhaus begeben; wahrscheinlich sollte ich es Jagdhaus nennen. Die Jagd ist vorbei.

42
    Der Colonel hatte sich dem Bootsmann bemerkbar gemacht, indem er in der versenkten Tonne aufgestanden war, zwei Schüsse in den leeren Himmel abgegeben und ihn dann zu dem Schirm herangewinkt hatte.
    Das Boot kam langsam herein; es brach den ganzen Weg über durch Eis, und der Mann hob die hölzernen Lockenten auf, fing das quakende Weibchen und steckte es in den Sack und hob die Enten auf, während der Hund auf dem Eis rumschlitterte. Der Ärger des Bootsmanns schien verraucht und von einer satten Genugtuung verdrängt.
    «Sie haben sehr wenige geschossen», sagte er zu dem Colonel.
    «Dank Ihnen.»
    Das war alles, was sie sagten, und der Bootsmann legte die Enten sorgfältig mit der Brust nach oben auf den Bug des Bootes, und der Colonel reichte ihm seine Gewehre und die Kombination von Patronenkiste und Jagdstuhl ins Boot.
    Der Colonel stieg ins Boot, und der Bootsmann kontrollierte den Schirm und hakte die schürzentaschenartige Vorrichtung los, die innen im Schirm gehangen hatte, um Patronen aufzunehmen. Dann stieg er auch ins Boot, und sie begannen ihren langsamen, mühseligen Heimweg durch das Eis bis ins offene Wasser des braunen Kanals. Der Colonel arbeitete so schwer mit dem langen Stakruder, wie er auf dem Weg hinaus gearbeitet hatte. Aber jetzt im hellen Sonnenlicht mit den Schneebergen im Norden und der Linie von Riedgras, die den Kanal vor ihnen markierte, arbeiteten sie in völligem Einklang.
    Dann kamen sie in den Kanal, glitten, das letzte Eis zerbrechend, hinein, und dann wurden sie plötzlich leicht weitergetragen, und der Colonel reichte dem Bootsmann das lange Ruder und setzte sich. Er schwitzte.
    Der Hund, der zitternd zu den Füßen des Colonel gelegen hatte, kletterte über das Dollbord des Bootes und schwamm ans Ufer. Er schüttelte das Wasser aus seinem weißen, beschmutzten Fell, und fort war er im braunen Schilf und Strauchwerk, und der Colonel beobachtete sein Vorwärtskommen an der Bewegung des Strauchwerks. Seine Wurst hatte er nie bekommen.
    Der Colonel spürte, wie er schwitzte, und obschon er wußte, daß er durch seinen Feldrock vorm Wind geschützt war, nahm er zwei Tabletten und einen Schluck Gin aus seiner Taschenflasche.
    Die Taschenflasche war flach und aus Silber mit einem ledernen Bezug. Unter dem ledernen Bezug, der abgenutzt und fleckig war, stand auf einer Seite eingraviert: Für Richard von Renata. Von Herzen. Niemand hatte je diese Inschrift gesehen außer dem Mädchen, dem Colonel und dem Mann, der sie eingraviert hatte. Es war nicht in demselben Geschäft, in dem es gekauft war, graviert worden. Das war ganz am Anfang gewesen, dachte der Colonel. Wen kümmert das jetzt schon?
    Auf dem abschraubbaren Verschluß der Flasche war ‹Von R. für R. C› eingraviert.
    Der Colonel bot die Flasche dem Bootsmann an, der ihn und dann die
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