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Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
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Kapitalismusfeindschaft bis ins Unendliche erhöhen.
    Dabei hat der Kanzler keine Probleme mit Steuern. Was viele Wahlbürger nur zu gut wissen, die sich bei der Vorbeifahrt der Kanzlerkolonne nicht selten fragen: Wer ist eigentlich dieser Chauffeur von Schmidt, der fast genauso aussieht wie Schmidt selbst? Hat der Kanzler jetzt einen Doppelgänger?
    In diesem Fall ist die Antwort einfach: Es ist wirklich der Bundeskanzler, der sich – sehr zum Missfallen seiner Leibwächter – wieder mal selbst ans Steuer gesetzt hat, nicht ohne vorher seinen vorfahrenden Beschützern im Kanzlerton zuzurufen: »Jungs, fahrt mir ja nicht zu schnell.« Schließlich ist es für den Opel-Fahrer Schmidt, der 1975 wegen der Ölkrise von einem Commodore auf einen Rekord umgestiegen ist, mal was anderes, einen schweren Mercedes zu steuern.
    Die Jungs fahren selten zu schnell, aber manchmal hilft auch das nichts: Im November 1976 will eine Frau in Bonn die Straße überqueren – und läuft in einen silbergrauen Mercedes. Und so sehen die Menschen in Bonn, wie sich ein Mann mit streng gescheiteltem Silberhaar zur Erstversorgung einer Leichtverletzten hinunterbeugt und sie beruhigt, bis der Notarzt kommt.
    Es ist Helmut Schmidt. Später wird er der Frau noch Blumen ins Krankenhaus schicken.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … die RAF zum Sommerfest einlud und
deren Videoband vollschnupfte
    Im Sommer 1976 ist Helmut Schmidt in Kampfstellung. Gefahren für die Demokratie müssen abgewendet werden, der Untergang der Bundesrepublik droht: Dr. Helmut Kohl kandidiert gegen den amtierenden Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Im Herbst ist Wahl.
    Kohl hat sich dafür extra eine neue schicke Bille gekauft. Schmidt nicht. Die RAF tritt erst ein Jahr später gegen Schmidt an – ebenfalls nach Anfangserfolgen letztlich vergebens.
    Doch jetzt ist Frühsommer. Jetzt ist erst mal Kanzlerfest. Die Gemeinsamkeit der Demokraten stellt sich bei der traditionellen Kanzlersommersause immer spätestens beim Anstellen vorm Zapfhahn ein, denn die Feste sind auch große Kollektiv-Exzesse. Statt Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität Bier, Schnaps und Wein.
    Eingeladen ist auch ein junger Mann mit langen Haaren und verwegenem Blick: der Schauspieler Christof Wackernagel. Der »deutsche James Dean« steht zu diesem Zeitpunkt genau für das, was Helmut Schmidt auf den Tod nicht ausstehen kann: linke Kulturschickeria – wirres Haar, wirre Gedanken und noch nie Popper und Seneca gelesen, dafür zu viel Marx und Marcuse.
    Wackernagel hat längst Kontakte in die RAF-Unterstützer-Szene und ist im BKA-Computer gelistet. Dass er 1976 trotzdem an allen Kontrollen vorbei und dazu noch bewaffnet mit einer Videokamera direkt ins Herz der Bestie auf das Kanzlerfest vordringen kann, kam so:
    »Ich drehte damals mit Beatrice Richter in Baden-Baden. Irgendwie wollte die sozialliberale Regierung wohl demonstrieren, wie aufgeschlossen sie für linke Bohemiens ist – und so bekam ich eine Einladung für zwei Personen. Wir sind mit Beatrice Richters Porsche mit 220 nach Bonn gerast. Und Beatrice’ Lächeln genügte, um an allen schwerbewaffneten Kontrollen vorbei direkt zu Schmidt zu marschieren.«
    Wackernagel dreht mit einer Sony AV 3670-Halbzoll-Videokamera der ersten Generation. 19 Kilo wiegt das Bandgerät, zwei Kilo zusätzlich die Kamera. Preis der Ausrüstung zur Aufklärung der Volksmassen: 6000 Mark.
    Dasselbe Modell wird später für die Schleyer-Videobänder verwendet. Statt des riesigen Videorekorders hätte er auch eine Bombe aufs Kanzlerfest schmuggeln können – eine Sicherheitslücke.
    Wackernagel filmt die Bonner Politik-Prominenz: »Ich war überrascht, dass Schmidt sich sofort in Pose wirft, selbst bei einer so kleinen Kamera wie meiner.«
    Das Material ist als Propaganda gegen die Imperialisten und Faschisten in der Bonner Regierung gedacht, die sich beim Kanzler den Bauch vollschlagen.
    Nach Vorführung des Wackernagel-Werkes stellen sich die RAF-Genossen Imperialisten und Faschisten wohl ungefähr so vor: Sie bieten schönen Frauen eine Zigarette an, nehmen eine Prise Schnupftabak und lächeln – etwas verlegen – in die Kamera. Denn genau das tut Helmut Schmidt auf den Aufnahmen. Und wirkt dabei durchaus sympathisch.
    Und Wackernagel, für den Schmidt Feindbild Nummer eins ist, erwischt sich bei dem Gedanken: »Respekt.« Im Sommer 1977 schließt er sich endgültig der RAF an, und das Video wird später bei ihm gefunden.
    Das Vorkommnis
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