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Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Autoren: Jost Kaiser
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Gast. Doch Opportunismus ist das keineswegs: Das jeweilige Frontbild sei doch ein »idealer Anknüpfungspunkt für ein zwangloses Gespräch«, kommentiert Kanzleramtssprecher Wolfram Wickert die Verrücktheiten seines Chefs.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … lieber mit dem Hausmeister
Schach spielte
    Zu den Pflichten eines Bundeskanzlers gehört es, sich zu verschiedenen Ausstellungseröffnungen zu begeben und vielleicht auch das eine oder andere warme Wort zu sagen.
    Der Ausstellungsgeher Helmut Schmidt ist im fortgeschrittenen Stadium seiner Kanzlerschaft nicht immer willens oder in der Lage, Begeisterung oder Abneigung über die Exponate so zu zügeln, dass Höflichkeitsregeln eingehalten werden und keiner im Tross der Schmeichler, Schwätzer und Journalisten merkt, was den Kanzler wirklich interessiert.
    Bemerkenswerterweise äußert sich Interesse wie Desinteresse am Ausgestellten bei Schmidt auf dieselbe Weise: Er verschwindet einfach.
    Im November 1978 besucht Schmidt mit dem französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing die Kunstausstellung »Paris – Berlin: Entsprechung und Gegensätze« im Pariser Centre Pompidou. Es wird moderne Kunst aus beiden Ländern geboten, vor allem Expressionisten und Kubisten.
    Man geht zusammen durch die Schau, man plaudert. Plötzlich sieht sich Giscard allein im Raum – der Kanzler ist zurückgeblieben. Aufgehalten hat Schmidt ein Käthe-Kollwitz-Plakat, das er lange betrachtet. Es heißt: »Nie wieder Krieg«. Noch Räume später, da steht er vor frühen Fotografien, und Giscard ist längst enteilt, murmelt er: »Sehr schön, dieses ›Nie-wieder-Krieg‹-Plakat.«
    Zwei Jahre später besucht der Kanzler wieder eine Ausstellung. Diesmal in der Hamburgischen Landesvertretung in Bonn. Aber ob es daran liegt, dass er kein Herzblut für Öl hat oder der Ausstellungstitel »Mineralölwirtschaft in Hamburg« Schmidt unterfordert – der Regierungschef ist plötzlich verschwunden. Schließlich findet Hausmeister Rudolf Thiermann, der eigentlich für den Alkoholausschank zuständig ist, den Kanzler im Keller vor. Schmidt zapft sich dort gerade eigenhändig ein Bier. Die beiden kommen ins Gespräch, und Thiermann erzählt Schmidt, dass er im Besitz eines handgeschnitzten Schachspiels sei, das er einst aus der Kriegsgefangenschaft mitgebracht habe. Der Kanzler verlangt Herausgabe und sofortiges Spiel im Keller.
    Nach einer halben Stunde wird es zappenduster drunten neben dem Zapfhahn. Thielemann ist schachmatt. Und der Kanzler muss leider wieder hoch zur mineralölverarbeitenden Wirtschaft, die den Kelleraufenthalt des Regierungschefs einigermaßen gut überlebt hat.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … Genscher einen Ausflug versaute
    Seit 1974 erleben die Mitglieder der UNO-Vollversammlung jedes Mal Ende September, wie ein kleiner dicker Mann mit großen Ohren ans Rednerpult tritt und über den Weltfrieden redet. Und speziell über Deutschlands Rolle bei der Verwirklichung desselben, die – dank ihm – eine ganz besonders große ist. Hans-Dietrich Genscher heißt der Mann mit den Riesenoh ren, und er genießt einen Ruf wie Donnerhall als fleisch gewordener Ausdruck außenpolitischer Vernunft.
    Genscher ist Außenminister, und als solcher hat er für das Land, das er vertritt, das Rederecht vor der prestigeträchtigen Versammlung. Genscher liebt diese Auftritte: Flug mit der Luftwaffen-Boeing, großer Bahnhof, großes Zimmer im Grandhotel, große Aufmerksamkeit.
    Im September 1982 steht wieder ein kleiner dicker Mann am Pult – aber der heißt nicht Hans-Dietrich, sondern Hans-Jürgen. Was ist passiert?
    Am 17. September hat Bundespräsident Carstens die FDP-Minister auf Vorschlag von Bundeskanzler Schmidt entlassen – die Koalition ist zerrüttet. Schmidt will Genscher nicht mehr sehen und führt nun eine SPD-Minderheitsregierung an. Genscher weiß natürlich, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist: Das Misstrauensvotum, mit dem Kohl Kanzler und Genscher wieder Außenminister würde, ist für den 1. Oktober angesetzt.
    Genscher lässt beim amtierenden Außenminister anfragen, ob die Rede vor der Generalversammlung nicht verschoben werden könne – auf irgendeinen Zeitpunkt nach dem 1. Oktober. Doch daraus wird nichts, da ist der amtierende Außenminister vor. Und der heißt – Pech für Genscher – Helmut Schmidt. Der Kanzler hat für 14 Tage im Herbst 1982 das Außenamt selbst übernommen. Er schickt seinen Freund Hans-Jürgen Wischnewski, genannt
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