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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
Autoren: Loons Gerringer
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am Baum war okay. Sogar der Mob war ein erträglicherer
Gedanke, denn der wollte immerhin nicht James Barrett, sondern einen namenlosen
Tyggboren. Das war zu ertragen, war übrigens sogar verständlich. Aber nicht
noch mal das. Dieser unerwartete Hass, der ihm persönlich galt. Im
Gesicht eines anderen Menschen den Willen zu sehen, einem so viel Schmerz wie
möglich und dann den Tod zuzufügen – das saß wie ein Schock in seinen Knochen.
War schlimmer als die Verletzungen selbst. Seltsam, dass dieser Aspekt in
Filmen nie vorkam. Man musste schon hassenswert sein, wenn man so viel Hass
wecken konnte. Das war Blödsinn, die Frau war psychisch krank, vielleicht
geisteskrank gewesen. Aber die Einsicht half ihm nicht. Er war erbärmlich. Dass
er überhaupt noch an solchen Gedanken klebte, das zeigte das Ausmaß der
Erbärmlichkeit.
    Ach, scheiß drauf. Der kalte Umschlag für das Knie war
jetzt wichtig. Damit er morgen weiterlatschen konnte. Solange, wie Firn das
wollte. Oder bis er doch noch sprang.
    Wenn man die Augen zumachte und nur dem Bach zuhörte,
dann konnte man sich einbilden, es wäre alles in Ordnung. Wenn man sie
aufmachte, sah man Inselchen aus klumpigem, schwarzem Zeug vorbeischwimmen. Sie
rutschten über die nassen Steine, kreiselten in einem Strudel, trieben weiter.
Und um ihn herum tropften eingerollte, schwärzliche Blätter von den Birkenzweigen.
Das Ende der Welt.
    „Hier bist du!“
    Er drehte sich nicht um. Genau der hatte ihm jetzt
noch gefehlt. Der Unverwüstliche Große Anführer. Leider war es für einen
würdevollen Abgang zu spät, denn der Unverwüstliche Große Anführer stand schon
neben ihm.
    „Inglewing sucht dich. Sag das nächste Mal Bescheid,
wenn du dich verdrückst. Die machen sich Sorgen.“
    „Für Sorgen gibt’s Gründe genug.“
    „Um dich. Und weil er gehen will.“ Firn fragte nicht
lange, ob er willkommen war, sondern setzte sich neben ihn. „Wir kommen auch
ohne Inglewing weiter. Eher kriegt der Schwierigkeiten ohne uns. Vor allem,
wenn er seine Kate dann gar nicht mehr antrifft. Ich glaub nämlich nicht, dass
die auf ihn wartet. Übrigens gibt es gleich Abendessen. Eichhörnchensuppe.“
    „Firn – lass mich einfach in Ruhe, ja? Ich hab keinen
Hunger. Teilt euch meine Portion.“
    „Du lässt dich hängen, Mann.“
    Nein, ich springe doch lieber.
    „Ich dachte nur, du willst deine drei da zu den
Montagus zurückbringen.“
    „Als wenn ich irgendwen irgendwohin bringen könnte!“
Außer in die Irre, natürlich, korrigierte er sich in Gedanken. „Die brauchen
mich nicht. Und außerdem – was dann? Zusehen, wie sie alle verhungern?
Abwarten, bis wir uns alle gegenseitig auffressen, weil sonst nichts mehr da
ist?“
    „Klingt wie irgendwas aus ’nem Lied von Brogue. Ich
hätte nicht gedacht, dass du ’ne Schwäche für Selbstmitleid hast.“
    Ach, verpiss dich doch. Geh und rühr in deiner Suppe.
    Aber Firn schleuderte seine Schuhe von den Füßen.
„Sieht doch ganz gut aus hier, das Wasser! Beinahe klar – aber zum Baden zu
flach, schade.“
    Sogar seine Füße sind perfekt, dachte er zynisch,
während Firn auf die Steine im Bach trat. Da stand er dann im knietiefen Wasser
und sah tatsächlich so aus, als würde er das genießen. Er zog sich das Tuch vom
Kopf, und wenigstens seine Haare waren genauso strähnig und verfilzt wie bei
ihnen allen. Er band sie nicht mehr zusammen – weil er das mit einer Hand nicht
hinkriegt, fiel ihm dabei zum ersten Mal ein, und gegen seinen Willen fühlte er
einen Anflug von Mitleid.
    Firn tauchte das Tuch ins Wasser und wusch sich damit
das Gesicht. Dann warf er seinen Pullover ans Ufer. Mit dem nassen Tuch wusch
er sich das Haar aus, bis die Strähnen tropfend über seine Schultern hingen.
Als er wieder heraufkam, war sein Hemd nass, aber er grinste.
    „Tut gut. Solltest du auch versuchen.“ Er setzte sich
wieder neben ihn und ließ die Füße ins Wasser hängen, obwohl das eiskalt sein
musste. „Wie geht’s dir denn?“
    „Ich pinkle kein Blut. Ist ein gutes Zeichen.“ Der
zynische Ton wollte nicht aus seiner Stimme verschwinden.
    „Und die Rippen? Schaffst du das Gehen den ganzen
Tag?“
    „Ist doch völlig egal.“
    „Du brauchst einen Umschlag um das Knie!“
    Und dann sah es so aus, als wollte er ihm mit seinem
nassen Tuch kommen. James wich zurück. „Lass mich jetzt!“
    Firn zog die Brauen hoch. „Also, was ist mit dir?“
    „Was mit mir ist?!“ Auf einmal drängelten sich ganze
Wortknäuel hinten in
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