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Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)

Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)

Titel: Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Autoren: Nick Bilton
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hatte geglaubt, in die Stadt zu ziehen, als er in diesem Jahr nach Kalifornien gekommen war. Das war 1997, mitten im modernen Goldrausch des sogenannten IT-Booms. Junge, computerbegeisterte Nerds wie Ev, Designer und Programmierer waren einem neuen Traum gefolgt und hatten sich in Scharen in diese Gegend aufgemacht, wo man angeblich reich werden konnte, indem man statt glänzender Goldnuggets Einsen und Nullen verkaufte.
    Mit leeren Taschen und glühendem Idealismus war Ev mit 25 Jahren nach Kalifornien gekommen und hatte feststellen müssen, dass die Firma, die ihn eigenstellt hatte – O’Reilly Media, für die er Werbetexte schreiben sollte – in Sebastopol saß, einem ruhigen Hippiestädtchen knapp 90 Kilometer nördlich von San Francisco.
    Auf der Landkarte, die er auf dem kleinen Küchentisch seiner Mutter in Nebraska ausgebreitet hatte, hatte es ausgesehen, als läge der Ort wesentlich näher an der Großstadt. Aber Ev kam zu dem Schluss, dass ihm nicht viel anderes übrig blieb, als die Stelle zu behalten. Er besaß keinen College-Abschluss und konnte keine Computerprogramme schreiben. Die Chancen, eine andere Arbeit zu finden, waren schlecht bis nicht vorhanden. Außerdem verdiente er bei O’Reilly 48

500 Dollar im Jahr, was ihm helfen würde, die zigtausend Dollar an Kreditkartenschulden und Studienkrediten aus seinem einen Collegejahr abzustottern. Zudem überlegte er, dass sein neuer Arbeitgeber, der Technologieratgeber verlegte, der geeignete Ort wäre, um programmieren zu lernen. Also suchte er sich eine Bleibe am Stadtrand und mietete für 600 Dollar im Monat einen Schuhkarton von Wohnung, die über einer Garage lag.
    Die Abgeschiedenheit von Sebastopol, umgeben von den Geräuschen der Einöde, empfand Ev als überraschend tröstlich. Es erinnerte ihn an die Farm in Clarks, Nebraska, auf der er aufgewachsen war. An dem Tag, an dem er nach Kalifornien ging, sank die Einwohnerzahl von Clarks von 374 auf 373 Seelen.
    An seinem neuen Arbeitsplatz saß er oft in billigen, ausgebeulten Jeans, übergroßem T-Shirt – das er meist in die Hose steckte – und an geeigneten Tagen mit einer seltsamen Mütze still an seinem Computer.
    Wenn die Eltern Farmer sind, wird am Frühstückstisch gewöhnlich nicht gerade über Eleganz diskutiert. Auch IT-Start-ups und San Francisco gehören nicht zu den üblichen Gesprächsthemen. Daher hatte sein Vater Monte auch nicht recht verstanden, warum der junge Ev nach Kalifornien ging, um mit Computern zu spielen,statt sich um die Farm zu kümmern. Aber die Familie Williams hatte Ev nie wirklich verstanden.
    Schon von klein auf war er ein Tagträumer. Als Junge saß er gern neben dem grünen Traktor der Familie auf den Feldern und starrte in den Himmel. Er war schüchtern, in Gesellschaft zuweilen unbeholfen, gehörte nie recht dazu und verbrachte oft stundenlang allein mit sich und seinen Gedanken. Als er heranwuchs, galt es in Clarks als selbstverständlich, dass er mit seinem Vater und seinem Bruder auf die Jagd hätte gehen sollen. Wie alle Jungen im amerikanischen Mittelwesten hätte er lernen müssen, mit Gewehr und Bogen zu schießen, einen Hirsch auszuweiden und in den Seen Nebraskas Barsche oder Forellen zu angeln. Zudem erwartete man, dass er sich für Football begeisterte. Und selbstverständlich hätte er bei alledem einen imposant großen Pick-up fahren müssen. Das alles war Teil des amerikanischen Traums.
    Aber Ev saß lieber in seinem Zimmer und bastelte Plastikmodelle, nahm stundenlang sein Fahrrad auseinander und setzte es wieder zusammen oder skizzierte Ideen für Videospiele, die er entwickeln wollte, wenn er älter wäre – und sich einen Computer leisten könnte. Gewehre, Football und Jagen waren schlicht nicht seine Sache.
    Als Ev erwachsen wurde und die Zeit kam, sein erstes Auto zu kaufen, entschied er sich nicht für einen großen, bulligen Pick-up, sondern für einen knallgelben BMW. Der Besitz eines fahrbaren Untersatzes mit vier Rädern und vier Türen machte ihn schlagartig an der High-School beliebt. Ein Auto ist für einen Teenager im Mittelwesten so etwas wie ein Wasserspender in der Wüste. Bald kutschierte er seine neuen Freunde zu Partys, knutschte mit Mädchen rum und trank Bier aus roten Plastikbechern.
    Sein sorgenfreies neues Leben fand ein abruptes Ende, als seine Eltern sich in seinem letzten High-School-Jahr scheiden ließen. Der Dorfklatsch raunte später, seine Mutter habe sich in den Kunstdüngervertreter verknallt. So
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