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Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald
Autoren: Paul Stewart
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hörte Spelda schniefen.
    »Ach Twig«, sagte sie. »Auch wenn wir nicht deine Eltern sind, Tuntum und ich lieben dich wie unser eigen Fleisch und Blut. Ich soll dir von Tuntum … auf Wiedersehen sagen. Er …« Sie stockte, überwältigt von Kummer. »Er lässt dir ausrichten … was immer geschieht, du musst immer daran denken, dass … er dich lieb hat.«
    Mit diesen Worten überließ sie sich ganz ihrem Schmerz. Sie brach in lautes Jammern aus und ohnmächtiges Schluchzen schüttelte sie.
    Twig kniete vor sie hin und schlang die Arme um sie. »Soll ich denn jetzt gleich gehen?«, fragte er.
    »Es wäre wohl am besten«, sagte Spelda. Unsicher fügte sie hinzu: »Aber du kommst doch wieder, Twig, ja? Glaub mir, mein lieber Junge, ich wollte dir das Ende der Geschichte gar nicht erzählen, aber …«
    »So weine doch nicht«, sagte Twig. »Die Geschichte ist doch noch lange nicht zu Ende.«
    Spelda sah auf. »Du hast Recht«, sagte sie und lächelte tapfer. »Eigentlich fängt sie erst an. Ja, bestimmt, Twig. Sie fängt erst an.«

 
KAPITEL 2
    Der Schwebewurm
     
    T wig ging den Weg zwischen den Bäumen entlang. Laut hallte das Geschrei der Waldbewohner um ihn herum. Er fröstelte, zog das Halstuch fester und schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch.
    Er hatte nicht schon am selben Abend gehen wollen. Schließlich war es dunkel und kalt. Aber Spelda hatte gedrängt. »Jetzt ist die beste Zeit«, hatte sie immer wieder gesagt und zusammengesucht, was er für die Reise brauchte: eine lederne Flasche, ein Seil, eine kleine Tasche mit Proviant und – am wichtigsten – sein Namensgebungsmesser. Twig war endlich volljährig geworden.
    »Du weißt ja, wie das Sprichwort geht«, fügte sie hinzu. Sie hob die Arme und band zwei hölzerne Amulette um seinen Hals. »Brich auf bei Nacht, komm an bei Tag.«
    Twig wusste, dass Spelda ihre Munterkeit nur vorspielte.
    »Aber sei vorsichtig«, ermahnte sie ihn. »Draußen ist es dunkel und ich kenne dich. Du träumst und trödelst und willst hinter jeden Baum sehen.«
    »Ja, Mutter«, sagte Twig.
    »Also tu, was ich sage. Es ist wichtig. Denk dran, immer auf dem Weg zu bleiben, damit du nicht dem schrecklichen Schleimschmeichler begegnest. Wir Waldtrolle bleiben immer auf dem Weg.«
    »Aber ich bin kein Waldtroll«, murmelte Twig. In seinen Augen brannten Tränen.
    »Du bist mein kleiner Junge«, sagte Spelda und umarmte ihn fest. »Bleib auf dem Weg. Die Waldtrolle wissen, warum. Und jetzt fort mit dir und grüße mir Cousin Schnatterbark. Bevor du dich versiehst, bist du wieder da und alles ist wie früher. Du wirst schon sehen …«
    Spelda konnte nicht zu Ende sprechen. Dicke Tränen kullerten ihr über die Wangen. Twig drehte sich um und ging auf dem dämmrigen Weg in den dunklen Wald hinein.

    Wie früher , dachte er. Aber ich will gar nicht, dass alles wieder wie früher ist. Bohnenblase spielen, Bäume fällen, von allen gemieden werden und nirgends dazugehören. Bei Cousin Schnatterbark ist es wahrscheinlich genauso. Zum Dienst auf einem Himmelsschiff berufen zu werden schien auf einmal verlockender denn je. Die Himmelspiraten befuhren den Himmel über dem Dunkelwald. Die Abenteuer, die sie dort erlebten, waren sicher viel aufregender als alles hier drunten im Wald.
    Ein verzweifelter Schmerzensschrei gellte durch die Bäume. Einen Augenblick lang herrschte tiefes Schweigen, dann setzte der nächtliche Lärm wieder ein, lauter als zuvor, als ob alle froh darüber wären, dass nicht sie einem hungrigen Räuber zum Opfer gefallen waren.
    Beim Weitergehen begann Twig, die Tiere zu benennen, die abseits des Weges aus dem tückischen Dunkelwald zu hören waren. Das linderte sein Herzklopfen. In den Bäumen über seinem Kopf hörte er quiekende Quarms und hustende Fromps. Sie konnten einem Waldtroll nichts anhaben, wenigstens nichts Schlimmes. Weiter weg zu seiner Rechten hörte er das heisere Kreischen eines zum Sturzflug ansetzenden Klingenflitzers. Im nächsten Augenblick war die Luft mit dem Geschrei des Opfers erfüllt, eine Packratte vielleicht oder ein Laubfresser.

    Immer weiter ging er und der Weg lag dunkel vor ihm. Nach einer Weile öffnete der Wald sich seinem Blick. Twig blieb stehen und betrachtete erstaunt die von silbernem Mondlicht umflossenen Stämme und Äste und die wächsern schimmernden Blätter. Er war zum ersten Mal nach Einbruch der Dunkelheit im Wald und es war wunderschön – so schön, wie er es sich nie hätte träumen lassen. Den Blick
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