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Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald
Autoren: Paul Stewart
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Geldbeutel war ein Stück Stoff. Es fühlte sich vertraut an. Er betastete die angekauten und zerknitterten Enden. Es war sein Tuch, sein Kuscheltuch. Er faltete es auf und hielt es sich vors Gesicht und da – aus der Dunkelheit des Stoffes – sah ihn ein Gesicht an. Sein Gesicht. Es lächelte. Twig lächelte zurück.
    »Ich«, flüsterte er.
    »Alles in Ordnung?«, fragte das Gesicht.
    Twig nickte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte es wieder.
    »Ja«, sagte Twig.
    Die Frage kam noch ein drittes Mal und erst jetzt merkte Twig, dass die Stimme nicht aus dem Halstuch kam, sondern von woanders. Von irgendwo außerhalb. Er schlug die Augen auf. Vor sich erblickte er ein rotes Gesicht mit einem gewaltigen Bart, das ihn besorgt ansah.
    »Tem!«, rief er. »Tem Waterbork.«
    »Ganz richtig«, nickte der Himmelspirat. »Kannst du meine Frage beantworten? Hast du dir wehgetan?«
    »Ich … ich glaube nein«, sagte Twig. Er stützte sich auf die Ellbogen auf. »Zumindest ist nichts gebrochen.«
    »Wie geht es ihm?«, rief Zacke.
    »Gut, sagt er!«, rief Tem zurück.
     
    Twig lag auf einem weichen Lager aus Segeltuch auf dem Deck des Sturmpfeils . Er setzte sich auf und sah sich um. Alle bis auf den Steinpiloten waren da: Zacke, Klotzkinn, Slyvo, Haudrauf (an den Mast gekettet), Hubble und unmittelbar neben ihm Captain Quintinius Verginix Wolkenwolf, sein Vater.
    Wolkenwolf beugte sich zu ihm hinunter und strich über das Halstuch. Twig zuckte zusammen.

    »Keine Angst«, sagte der Captain leise. »Niemand tut dir was, Junge. Tja, so leicht werden wir dich offenbar nicht los.«
    »So was habe ich noch nicht erlebt, Captain«, rief Tem Waterbork. »Fällt einfach so vom Himmel, der Junge – mitten aufs Achterdeck. Wirklich ein seltsamer Himmel, auf dem wir da fahren …«

    »Schluss mit dem Geschwätz«, unterbrach ihn der Captain barsch. »Zurück an die Arbeit! Wir müssen bis heute Abend in Unterstadt sein.«
    Die Männer gingen auseinander.
    »Du nicht«, sagte der Captain zu Twig, der sich ebenfalls entfernen wollte. Er legte ihm die Hand auf den Arm.
    Twig sah zu ihm auf. »W … warum seid ihr ohne mich abgefahren?«, fragte er. Sein Mund war trocken, seine Stimme heiser.

    Der Captain erwiderte seinen Blick. Sein maskenhaft starres Gesicht zeigte keinerlei Gemütsbewegung. »Die Mannschaft war vollzählig«, sagte er kurz. »Außerdem fand ich, dass das Piratenleben nichts für dich ist.« Er schwieg. Offenbar beschäftigte ihn noch etwas.
    Twig wartete darauf, dass Wolkenwolf das Schweigen brach. Verlegen kaute er auf den Lippen. Der Captain beugte sich vor und fixierte ihn. Twig fröstelte. Der Atem des Mannes blies ihm warm und laut ins Ohr, sein Backenbart kitzelte Twig am Hals.

    »Ich habe das Tuch gesehen«, sagte er so leise, dass nur Twig es hörte. »Dein Halstuch. Das Tuch, das Maris, deine Mutter, gemacht hat. Da wusste ich, dass du … Nach all den Jahren.« Er verstummte. Seine Unterlippe zitterte. »Ich hielt es nicht aus, ich musste weg. Ich … ich habe dich einfach allein gelassen. Zum zweiten Mal.«
    Twig wand sich unter seinem Blick. Er wurde rot und es überlief ihn heiß.
    Der Captain legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihn aufmerksam an. »Ein drittes Mal passiert das nicht«, fuhr er fort. »Ich werde dich nie wieder alleine lassen.« Er schlang die Arme um den Jungen und drückte ihn fest an sich. »Von jetzt an gehören wir zusammen«, flüsterte er und seine Stimme bebte. »Wir beide werden zusammen die Himmel befahren. Du und ich, Twig, du und ich.«

    Twig sagte nichts. Er brachte kein Wort heraus. Freudentränen traten ihm in die Augen, fast wollte ihm das Herz zerspringen. Er hatte seinen Vater wieder gefunden.
    Unvermittelt ließ der Captain ihn los. »Aber du bist ein Mitglied der Mannschaft wie die anderen«, sagte er kurz. »Erwarte also keine Extrawurst.«
    »Nein, Va … Captain«, sagte Twig leise. »Das erwarte ich nicht.«
    Wolkenwolf nickte beifällig und richtete sich auf. Die anderen hatten sie verblüfft beobachtet. »An die Arbeit, ihr faules Pack«, brüllte er. »Hisst das Großsegel und lichtet den Anker. Es wird Zeit.«
    »Aye, aye, Captain.« Die Männer machten sich an die Arbeit. Der Captain ging zum Ruder und ergriff das Steuerrad. Twig trat neben ihn.
    Wolkenwolf sah seinen Sohn an. »Twig«, sagte er langsam und seine Augen funkelten belustigt. » Twig ! Ich meine, was ist denn das für ein Name für den Sohn von Quintinius Verginix, Kapitän des
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