Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald
Autoren: Paul Stewart
Vom Netzwerk:
Sein Atem flog, er konnte kaum sprechen. »Sir«, sagte er. »War das Baby ein M … Mädchen … oder ein Junge?«

    Quintinius Verginix starrte Twig mit gerunzelter Stirn an. Vielleicht wusste er es nicht mehr. Oder er wusste es nur zu gut. Er strich sich übers Kinn. »Ein Junge«, sagte er endlich. Hinter ihm bewegte sich Haudrauf im Schlaf. Seine Ketten klirrten. Der Captain trank seinen Becher aus und wischte sich den Mund ab. »Wir müssen morgen früh aufbrechen«, sagte er, »und wir können alle etwas Schlaf gebrauchen.«
    Twig glaubte nie wieder schlafen zu können. Sein Herz raste, seine Gedanken auch.
    »Hubble, du übernimmst die erste Wache«, sagte der Captain. »Weck mich um vier.«
    »Wu«, grunzte der Banderbär.
    »Und pass auf unseren falschen Freund hier auf.«
    Twig sah ihn erschrocken an, doch dann begriff er, dass der Captain Slyvo gemeint hatte.
    »Hier«, sagte Zacke und gab Twig eine Decke. »Nimm die. Ich mache es mir heute Nacht im Krähennest gemütlich.« Und damit kletterte der Eichenelf den Baum hinauf, in das Schiff bis zu dem Kokon an der Mastspitze.
    Twig wickelte sich in die Decke und legte sich auf den mit Laub gepolsterten Boden. Das Feuer brannte wieder hell und warm. Funken und Asche stiegen leuchtend zum Himmel auf. Twig starrte in die tanzenden Flammen.
    Wäre es nicht dieser Himmelspirat gewesen – dieser Captain Wolkenwolf, wegen dem Spelda und Tuntum damals Twig weggeschickt hatten aus Angst, er könne Twig zum Dienst auf seinem Schiff zwingen –, wäre er nicht gewesen, hätte Twig das Dorf der Waldtrolle nicht verlassen. Er wäre nie vom Weg abgekommen und hätte sich nie verirrt.
    Aber jetzt begriff er auf einmal alles. Er war von Anfang an auf dem falschen Weg gewesen, nicht erst als er den Weg verlassen hatte, sondern von Anfang an, seit der Himmelspirat ihn in das Tuch gewickelt unter der Hütte der Schnappholds ausgesetzt hatte. Erst jetzt hatte er seinen Weg gefunden.
    Drei Dinge gingen ihm unaufhörlich durch den Kopf:
    Jetzt kenne ich meinen Weg. Jetzt kenne ich mein Schicksal. Jetzt kenne ich meinen Vater!
    Twig schloss die Augen. Der Stock des Herzzaubers fiel ihm ein. Er hatte nach oben gezeigt. Natürlich, denn dort lag seine Zukunft, am Himmel, an der Seite seines Vaters.

 
KAPITEL 13
    Der Schleimschmeichler
     
    A lles war still. Dann kam plötzlich Bewegung auf. Und wieder wurde alles still. Zunächst herrschte jene tiefe Stille, die kurz vor Anbruch des Morgengrauens herrscht. Twig drehte sich auf die andere Seite und wickelte sich fest in Zackes Decke. In seinen Träumen segelten lauter Himmelsschiffe kreuz und quer über das leuchtend blaue Firmament. Er selbst stand am Ruder, den Kragen gegen den Wind hochgeschlagen. »Ritter der Lüfte«, murmelte er und lächelte im Schlaf.
    Für einen Moment setzte geschäftiges Treiben ein. Twig stand immer noch am Ruder und steuerte geradeaus, doch die Mannschaft um ihn herum bereitete Netze zum Auswerfen vor. Sie flogen einem Schwarm Schneevögel entgegen, der aus wärmeren Gefilden zurückkehrte. Zum Abendessen würde es gebratene Schneevögel geben.
    Die Taue knarrten und klatschten gegen den Mast. »Hart nach Steuerbord«, rief eine Stimme. Seufzend drehte Twig sich wieder auf die andere Seite.
    Die darauf folgende Stille war orangefarben – eine von einem flackernden Schein erfüllte Leere. Stimmen waren nicht mehr zu hören, nicht einmal seine eigene. Am Rücken war ihm kalt, im Gesicht heiß. Er schlug die Augen auf.
    Zunächst begriff er nicht, was er sah. Vor ihm ein Feuer. Auf der Erde verkohlte Knochen und geronnenes Fett. Über ihm dichtes Laub, durch das in hellen Streifen die frühe Morgensonne fiel.
    Er fuhr hoch. Auf einmal wusste er wieder, was am Vorabend passiert war. Das Gewitter. Das Himmelsschiff. Wie er den Flugstein entdeckt hatte. Das Essen mit den Himmelspiraten. Die Begegnung mit seinem Vater … Wo waren sie jetzt?
    Sie waren ohne ihn abgefahren. Er schrie vor Kummer, Enttäuschung und Einsamkeit. Tränen liefen ihm über das Gesicht und statt der Sonnenstrahlen sah er bunt schillernde Sterne. Sie hatten ihn sitzen lassen! Er schluchzte hemmungslos. »Warum, Vater, warum?«, rief er. »Warum bist du ohne mich weggefahren? Zum zweiten Mal!«
    Er verstummte. Seine letzte Hoffnung je aus dem Dunkelwald herauszufinden war geschwunden. Er senkte den Kopf. Der Wald war stiller als sonst. Keine hustenden Fromps, keine quiekenden Quarms, keine kreischenden Klingenflitzer. Nicht nur die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher