Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
um ihn dort in die Unendlichkeit hinaustreiben zu lassen.
    Endlich erreichte er sein Ziel, eine winzige Lücke im Klumpen. Queresma streckte seine Nervenfühler in die Führungen, in die nur seine Fühler passten und die seit jeher im SECHSEN existierten. Er war das entscheidende Puzzlestück. Er war der Glückseligmachende, der Heilsbringer. Queresma fügte sich ein und fand zur Ruhe, während rings um ihn nach wie vor quirlige Betriebsamkeit herrschte. Es dauerte einige Zeit, bis auch der letzte Marime seinen Platz gefunden hatte und die Lücken geschlossen waren. Der SECHSEN-Körper war fertig. Nun lag es an ihm, das Ritual der Gesundung zu initiieren und all die überschüssigen Aggressionen aus seinesgleichen abzuziehen. Es musste beginnen - und es begann.
     
    Disharmonie. Ungleichheit. Unsicherheit. Ratlosigkeit. Traurigkeit. Hunderte Faktoren, die niemals zuvor gespürt worden waren, versperrten ihnen den Zugang zum SECHSEN. Ihr Gesamtkörper drohte zu zerbrechen. Queresma hielt sie mit all seiner Kraft zusammen und beschwor sie, einen zweiten Versuch zu starten, mit noch mehr Konzentration und Willen zu Werke zu gehen. Die Marime gehorchten ihm zögerlich. Neuerlich verfestigte sich das Netzwerk aus
Nervenadern, Gehirnmasse und Grundkörpersubstanz, das sie nach dem vollendeten SECHSEN wieder in ihre Hilfskörper einbringen würden. Doch daran durfte Queresma nicht denken, nicht jetzt, in diesem alles entscheidenden Augenblick. Vielleicht hatte er nur diesen zweiten Versuch. Es musste gelingen, es musste …
    Und wiederum scheiterte er. Die Irritationen wurden grö ßer, die Selbstzweifel ebenso. Am Rand des SECHSEN-Körpers lösten sich bereits vereinzelt Marime, um im Schockzustand wegzutreiben. Nein!, brüllte Queresma durch die Leere, lasst sie nicht gehen!
    Der Aufruf fruchtete, unter Aufbietung aller Kräfte verfestigte sich der Körper neuerlich. Die Marime fingen die Abtrünnigen ein und verhakten sie im Netzwerk ihrer geplagten Leiber. Sie blieben kompakt, im Initiationsritual des SECHSEN verbunden.
    Von überallher erreichten Queresma nun Impulse der Begierde und der Verzweiflung. Der Druck wurde groß und größer, das Denken der Marime war nur noch auf ein Ziel ausgerichtet. Sie mussten sich entladen und Erlösung finden. Was ehedem mit sanften und feinfühligen Berührungen begonnen hatte, wandelte sich zu einer rauen und brutalen Rangelei.
    Machte er etwas falsch? Hatte ihm sein Vorgänger nicht alles Wissen vermittelt, das für das SECHSEN notwendig war? Oder war der Einfluss seines Wirtskörpers schädlich gewesen, in dem er so lange geruht hatte, ohne sich seiner selbst bewusst zu sein?
    Und ganz plötzlich wusste er, dass es zu spät war. Er hatte sein Bestes gegeben, hatte mit grenzenlosem Optimismus die Marime um sich versammelt und in den Takt des SECHSEN zu zwingen versucht. Doch die Wogen des
Wahnsinns, die die Mehrzahl seiner Landsleute gepackt hatten, wollten sich nicht dämpfen lassen. Sie schwappten durch das Konglomerat ihrer Körper, sorgten für überschießende und arhythmische Bewegungen. Sie würden nie wieder zum notwendigen Einklang finden; ihre Mission war gescheitert.
    Du weißt, was du zu tun hast!, mahnte ihn die leise Stimme Turils. Du darfst die Kitar nicht erneut auf die Völker des Kahlsacks loslassen.
    Der Totengräber hatte Recht. Sie waren Wächter, die Fehlverhalten bestraften, aber sie mordeten niemals grundlos. Die Probanden-Völker durften nicht ausgerottet werden. Das Experiment ihrer Herren musste weiterlaufen.
    Queresma fühlte etwas, das kein Marime vor ihm gekannt hatte: Traurigkeit. Warum musste ausgerechnet er zum Totengräber seines Volkes werden?
    Tu es!, drängte Turil einmal mehr, sonst fehlt dir die Kraft dazu!
    Der SECHSEN-Körper drohte endgültig zu zerfallen. Er hatte zu lange gezögert. Die Marime wussten, dass sie ihre Erlösung niemals wieder erreichen würden, und sie strebten danach, ihre Wut anderweitig zu fokussieren. Queresma riss ausscherende Landsleute mit aller Brutalität und Gewalt zurück. Er strahlte einen Gedanken des Bedauerns aus - und initiierte den Todesimpuls.
    Die Kitar starben.

30 - AUFERSTEHUNG
    Selbst nun, da er die Aufzeichnung zum wiederholten Male sah, fühlte Ofenau Angst. Die ineinander verkeilten Kitar hatten selbst über eine Entfernung von vielen hundert Kilometern Wellen der Aggressivität ausgestrahlt, die noch lange nach ihrer Vernichtung spürbar gewesen und erst allmählich verebbt waren.
    »Dann ist es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher