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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise
Autoren: Michael Marcus Thurner
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seiner Sparten verstand, was auf dem Spiel stand - woher denn auch? Er starrte ins Leere und suchte nach einer Argumentationslinie, mit der er ihn, Turil, davon überzeugen konnte, dass sein Leben verschont bleiben sollte.
    Eine Nekronadel explodierte neben ihm, dann eine zweite. Ahnungen von Bildern erschienen in einer rasend schnellen Abfolge, dazu erklang niemals zuvor gehörte Musik. Turil würde das Epos von Sorollos Tod niemals in passender Form zu hören bekommen, und beinahe bedauerte er es.
    »Ich habe nichts Falsches getan«, sagte Ofenau völlig ratlos. »Ich wollte Leben retten. Gutes tun.«
    »Ich auch.« Turil lachte bitter. »Und sieh mich nun an. Meine Psyche wurde über Jahrzehnte hinweg manipuliert, man hat mich zerlegt wie ein Schlachtvieh, um mich anschließend aus den Überbleibseln neu zu züchten, und ich muss mein Bewusstsein nun mit einem Wesen teilen, das mir völlig fremd ist. Denkst du, ich hätte mir jemals gewünscht, dass mein Leben so verläuft?«

    »Nein.«
    Warum wehrte sich Ofenau nicht? War er so schwach - oder sehnte er insgeheim den Tod herbei? Wusste er, dass das Sparten-Konzept keine Zukunft hatte?
    »Ich glaube nicht, dass ich konditioniert wurde«, sagte der Xeniathe schließlich.
    »Das kannst du nicht beurteilen.«
    »Und wenn ich der GELFAR erlaube, meinen Geist zu untersuchen?«
    »Der Schiffssphäre ist nicht zu trauen. Sie würde alles unternehmen, um mir zu schaden. Sie ist, was sie ist: ein Gegner meines Volkes.«
    »Dann … dann ist es also vorbei?«
    »Genau. Allerdings …«
    »Ja?« Ofenau trat näher. Hoffnung und Gier zeichneten sich in seinem Gesicht ab. So, wie es Turil erhofft hatte. Der Plan, den er Queresma vorgeschlagen hatte, ging auf. Auch der Xeniathe hatte Angst vor dem Tod. Die meisten Lebewesen wussten den Sinn ihrer Existenz nicht richtig einzuschätzen und hofften auf ein Dacapo, auch wenn sie ihre Bestimmung längst erreicht hatten.
    »Ich könnte dir ein Weiterleben ermöglichen. Form und Art werden dir nicht sonderlich gefallen, aber es wäre besser als gar nichts.«
    »Besser als gar nichts …«, wiederholte Ofenau.
    Turil sah zu, wie die letzte Nekronadel verging, und mit ihr die flüchtigen Erinnerungsbilder Sorollos. Die Xeniathin war nun nur noch eine leere Hülle, ein Brocken verfaulenden Fleisches.
    »Erklär mir, was du vorhast«, forderte Ofenau.
    Turil sagte es ihm.

29 - DAS SECHSEN
    Das Schiffskind Momed schrie seinen Schmerz lautstark hinaus, als sie den Versammlungsort der Marime erreichten. Es war völlig erschöpft und brachte kaum noch die Kraft auf, die Totenbarke GELFAR unweit eines namenlosen Pulsars abzubremsen.
    Die Quaderkörper einer gewaltig großen Kitar-Flotte leuchteten in den Bildern der Ortungspfanne auf. Lichtreflexe von den glatten, sich drehenden Oberflächen erzeugten irritierende Bilder. Die Grenzen des Kernwalls waren nicht weit. Seltsame Phänomene machten sich in dieser Umgebung bemerkbar. Die Zeit-und Raumgesetze galten nur noch bedingt, und jederzeit mochten sich die Bedingungen so sehr ändern, dass ein Verlassen dieser Zone unmöglich wurde.
    Niemand beachtete die GELFAR. Die Marime verließen in Scharen ihre Schiffseinheiten. Die Ortung erfasste sie als unförmige und unstrukturierte Körper, deren Schwerfälligkeit endete, sobald sie ins Vakuum hinaustrieben.
    Andächtig beobachtete Turil das Schauspiel, das niemals zuvor ein Humanes gesehen hatte. Kein Kitar ähnelte dem anderen. In der ewigen Kälte des Kahlsacks befreiten sie sich von allen Konventionen und von ihren Körperhüllen, die sie wie lästiges Beiwerk abstießen, um zu emsiger
Betriebsamkeit zu erwachen. Sie fühlten sich wohl in diesem Element, das für die meisten anderen Lebewesen den sicheren Tod bedeutet hätte. Meterlange Nervenstränge entrollten sich. Sie steuerten aufeinander zu, verfingen sich im Geäst eines stetig größer werdenden Gesamtkörpers, reihten sich wie in einem Tanz in das Gefüge ein. Jeder Marime schien ganz genau zu wissen, wo sein Platz in der allmählich entstehenden Leiberkugel war.
    »Es wird Zeit«, sagte Turil. »Ich mache mich auf den Weg.« Die Schmerzmittel ließen nach. Die Med-Hexen hatten ihn notdürftig versorgt; für eine vollständige Regeneration war keine Zeit gewesen - und würde auch niemals wieder Zeit sein.
    »Vielleicht gibt es doch noch eine andere Möglichkeit …«, begann Ofenau zögernd.
    »Nein.« Turil nickte dem Xeniathen ein letztes Mal zu. Ofenau war ihm weder einen
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