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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise
Autoren: Michael Marcus Thurner
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seiner Zucht, hatten längst das Weite gesucht. Unter seinen Beinen fühlte Zituyn die Ausläufer des weit verzweigten Wurzelwerks einer Baumgruppe, die hinter dem nächsten
Hügel gesiedelt hatte. Die Wurzelfreunde verharrten in einer Art Stasis und hatten jegliche Nahrungsaufnahme eingestellt. Die Ruhe schreckte Zituyn mehr als alles andere zuvor. Selbst der ewige Wind hatte sich zu einem matten, kaum noch hörbaren Säuseln gewandelt.
    Aus dem Zentrum der Fläche trieb ein Etwas hervor. Quecksilberähnliche Substanz umfloss einen Klumpen, der entfernt einem Humanes-Körper glich. Er schob sich höher und höher, wuchs wie eine Pflanze aus dieser zweidimensionalen Fläche und spottete damit aller Gesetzmäßigkeiten. Aus Nichts wuchs Etwas ; ein knollenförmiges Ding, dem Ovenchunken-Triebling nicht unähnlich.
    Zituyn beobachtete den Prozess mit schreckstarren Astarmen. Er wusste, dass er einen Alarmruf abgeben musste - doch es fehlte ihm die Kraft. Eine Art Bannstrahl ging von diesem Klumpen aus, der sich nun von der ihn einengenden Quecksilberschicht befreite. Das Wesen darin zwang ihn, wie paralysiert zu verharren. Jede Regung, jeder vernünftige Gedanke war ihm verboten.
    Die Gazehaut fiel zu Boden und verband sich dort wieder mit der unergründlichen Metallfläche. Das Geschöpf wankte leicht. Es schüttelte Flüssigkeit oder Schweiß aus dem dunklen Pelz, machte vorsichtig ein paar Schritte nach vorne und bewegte dann den Kopf in alle Richtungen. Es wirkte gedrungen und muskulös, strahlte Arroganz und Aggressivität aus.
    Der Unheimliche scherte sich vorerst nicht um ihn. Er schien nach etwas anderem zu wittern, zu schnüffeln. Die Nase, von tiefen Lamellenkerben gekennzeichnet, ragte zwischen zwei blutroten Kulleraugen hervor. Das Ein-und Ausatmen wurde von röchelnden Geräuschen begleitet, als erhielte der Unbekannte nicht ausreichend Sauerstoff.
Er bewegte sich mit schweren Schritten, die laut auf der Metalloberfläche widerhallten. Auf einen Wink der Klauenhand mit den fünf Fingern hob sich ein Aggregat aus dem Boden, ein Rundpult mit vielen grell glitzernden Schaltflächen. Darüber drehte sich eine Art Parabolantenne mit großer Geschwindigkeit.
    Ich muss weg!, dachte Zituyn, jetzt, da er nicht herschaut, nicht auf mich achtet!
    Er mühte sich mit aller Gewalt ab, die Wurzelbeine aus dem Boden zu ziehen, diese verfluchte Verkrampfung in seinen Gliedern zu lösen. Das Herz pumpte Blut durch den kräftigen, von vieler Arbeit gestählten Körper und wurde dabei von photosynthetischer Energiezufuhr unterstützt. Es gelang Zituyn, einen Schritt zu tun, und dann noch einen. Er musste es bis hinter die kleine Bodenwelle schaffen, die den Blick auf sein Gehöft versperrte. Dort konnte er sich flach auf die Erde werfen, der Gegenwart dieses schrecklichen Wesens entkommen und laut um Hilfe röhren. Irgendwer würde ihn hören und herbeieilen, ganz sicher.
    Ein dritter und ein vierter Schritt. Nur ja nicht in Richtung des Unbekannten blicken. Sich nicht einfangen lassen von dessen Präsenz. Weitergehen, immer nur weitergehen …
    Ein Ton erklang.
    Durchdringend, furchterregend. Zituyn verließ jeglicher Mut. Er blieb stehen. Seine Wurzeln glitten neuerlich ins fruchtige und süße Erdreich, das so ausgezeichnet für jegliche Art von Gemüseanbau geeignet war, und verkrallten sich dort zwischen Steinbrocken. Er fühlte sich zu schwach, um sich neuerlich zu den Strängen des Nachrichtennetzes vorzutasten.

    »…hen!«, erklang derselbe grauenhafte Ton wie zuvor, diesmal fast verbal verständlich. Der Unbekannte sagte etwas, das ihm galt.
    »Du bleibst stehen!«
    Ein Befehl. Dem Zituyn nicht zu widersprechen in der Lage war.
    Er wagte es nicht, seinen Blick zu heben. Er konzentrierte sich mit aller Macht auf die Krume rings um ihn. Auf den heimatlichen Boden, auf sein Ein und Alles. Solange er die Erde berührte und nicht auf diesen grässlichen, künstlichen Untergrund treten musste, war alles gut.
    Das Geschöpf verließ die auf so seltsame Weise gewachsene metallene Ebene und berührte den Erdboden. Es erschien Zituyn wie ein Frevel, dass es domiendramischen Grund betrat. Es beschmutzte dieses heilige Land.
    »Sieh mich an!«, sagte der Wurzellose.
    Zituyn fand kein probates Mittel, sich gegen den Befehl zu wehren. Er hob den Sinnesstamm und sah in dieses grässliche Gesicht, das von einem Mund mit spiralförmig tief in den Rachen reichenden Zahnreihen beherrscht wurde. Mit jedem röchelnden Atemzug blähten
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