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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman
Autoren: Daniela Danz
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Antwort. Was wollte er hören? Nein, sagte ich und wartete, was er mit dieser Antwort anfing. Gut, Jan. Du weißt, daß ich einen Beiwächter brauche. Sie haben mir schon einen zugeordnet. Ich will aber, daß du das machst. Es ist ohne die Kosten für den Beiwächter knapp genug. Er hatte also mittlerweile sogar die Instruktionen gelesen.
    Vater wußte so gut wie ich, daß das bedeuten könnte, ich würde nichts Eigenes in meinem Leben mehr anfangen können, zu alt für etwas anderes sein, wenn ich hier wieder herunterkäme. Aber von unten hatten wir ein Gefühl mit heraufgenommen, daß, was man jetzt beginnen würde, nicht von Dauer wäre. Daß etwas geschehen würde, das alles umkehrt und die Lebensläufe in eins wirft. Daß mit einemmal nur noch zählen würde, wie einer den Moment zu nutzen wußte, ob er schieres Glück hatte. Trotzdem wurden Verträge und Ehen geschlossen, Pläne gemacht, Häuser gebaut. Als könnte man Gewißheiten schaffen. Warum also nicht eine Entscheidung fürs Leben treffen. Ja, dann mache ich das, dann werde ich Beiwächter. Schön, Jan, er war erleichtert und schenkte mir sogar einen schnellen Blick aus den Augenwinkeln, bevor er mir bis ins kleinste erklärte, was meine Aufgaben sein würden. Ich wunderte mich, wie er so schnell vertraut sein konnte mit der neuen Arbeit. Er mußte auch schon jede Ecke der Wohnung geprüft haben und warnte mich sogar vor losen Brettern auf dem Dachboden und davor, die Luken zu öffnen, weil sie sich leicht aus den Angeln heben konnten. Auch mit dem Bild der Stadt war er, schien es, schon vertraut. Er erklärte mir vom Umgang aus den Straßenverlauf, die Entfernungen, die Orte am Horizont und die Standorte der Feuerwachen. Die Sache fing an, mir zu gefallen. Wenn man auf die Straßen um die Kirche sah, war man mehr als ein Mensch und doch noch nicht einmal ein Mensch. Die da unten liefen, dachten nicht daran, daß einer sie sieht, daß einer wacht für sie. Und wenn sie doch hochsahen, dann nicht wie zu ihresgleichen, zu einem, der sie beobachtete und sah, was keiner sehen sollte. Sondern wie zu einem, der alles wissen darf, weil er doch von einer anderen Welt ist und nicht als Mitwisser zählt. Einer, dem man nicht zutraut, sich etwas dabei zu denken. Einer, der nur seine Pflicht tut und den es eigentlich gar nicht gibt.
Echo
    Echo fand ich am sechsten Tag. Ich war schon früh auf den Dachboden gegangen und hatte den Übungen des Organisten gelauscht, mit dem Ohr fest auf den Planken. Ich weiß nicht, wann ich, müde von der Anstrengung des Hörens, auf den staubigen Brettern eingeschlafen war. Als ich aufwachte, lag Echo neben mir. Echo in einem leichten grauen Kleid. Ich sah als erstes die auffliegenden Bögen ihrer Brauen, die in einem schmalen Strich ausliefen. Sie erinnerten mich an etwas Vertrautes. Aber ich merkte, daß ich in einem Zustand war, der mich keinen Gedanken festhalten ließ. Ich trieb von einer Erinnerung in die nächste. Goldene Forellen in einem Teich tief im Wald. Eine Hand wirft etwas ins Wasser. Golden hebt sich die Oberfläche des Teichs in Mustern, die schneller sind als mein Begreifen. Ganz nah der unglaubliche Leib einer großen Forelle, ich will nach ihr greifen, aber ich vergesse es über das schnelle Kreisen des Wassers, das gelbe Leuchten, die kreisende Sonne, die Erlenkronen biegen sich ins Wasser, Pfeile durch flüssiges Gold, ich will hineingehen, aber es zieht sich zurück. Ich kann den Gedanken nicht festhalten. Ich verliere die Spur. Echo. Sie liegt noch immer neben mir. Sie atmet einen leichten Atem. Ich halte meine Hand vor ihre Nase und spüre ihn warm auf der Haut. Ihre Brust hebt und senkt sich. Sie sieht nach oben. Ich betrachte die Gerade ihrer Nase, die Lippen, ihren kräftigen Kieferknochen, ihre Wangen. Ich will ihr Gesicht ganz sehen und springe auf, stelle mich breitbeinig über sie. Erschreckt über meine Heftigkeit muß ich mich an einem Balken festhalten, mir ist schwindelig. Als ich sie wieder ansehe, hat sie den Kopf zur Seite gedreht. Ich traue mich nicht mehr, sie anzufassen. Je länger ich auf sie herabsehe, um so weiter kommt mir die Entfernung zum Boden vor, auf dem sie liegt, ihr Kleid wird immer heller. Ich habe Hunger und gehe. Ich weiß nicht, ob ich etwas anders hätte machen können. Ich weiß nicht, ob wir Gegner sind oder Verbündete. Es heißt:
wenn alle Tauben zusammen fliegen, dann wagt der Habicht nicht, einer von ihnen nahe zu kommen, wegen des zusammenklingenden Schwirrens ihrer
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