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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition)
Autoren: Carina Bartsch
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dass ich es vor drei, vier Jahren von Alex geschenkt bekommen hatte. Es war tailliert geschnitten und unter dem runden Kragen standen auf Brusthöhe in schwarzen, stark an einen Horrorfilm erinnernden Lettern die Worte »Bite me«.
    Ich betrachtete es eine Weile. Bisher hatte sich noch keine Gelegenheit für das Oberteil als passend erwiesen, für eine Halloweenparty jedoch schien es die beste Alternative zu sein, die mein Kleiderschrank zu bieten hatte. Ich nickte, streifte es mir über und wählte dazu eine dunkelblaue Jeans und weiße Sneakers.
    Mein Spiegelbild überraschte mich wahrlich nicht oft, doch heute war genau das der Fall: Ich sah noch dümmlicher aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Könnte mich der Designer so sehen, er würde sich im Grab umdrehen. Aber was soll’s , dachte ich mir. Warum sollte ich mich um einen Designer scheren, der sich am Ende totgekokst hatte? Ich zuckte mit den Schultern, ging ins Bad, kämmte mir die Haare, atmete tief durch und verließ die Wohnung.
    Die Party befand sich am anderen Ende der Stadt, im Haus von Sophies Eltern. Dreimal musste ich mit dem Bus umsteigen und war eine gefühlte Ewigkeit unterwegs. Es war bereits nach elf Uhr abends, als ich endlich die richtige Adresse fand.
    Schon vor dem großen hellen Haus, das mit einer Glasfront versehen war, traf ich auf jede Menge maskierter Menschen, während die laute Musik aus dem Inneren bis auf die Straße dröhnte. Freddy Krüger , Michael Myers , Jason und Kettensägenmänner – alle waren sie vertreten und wirkten viel besser aufgelegt als in den Horrorfilmen, in denen ich sie zuletzt gesehen hatte.
    Das war also Sophies Auffassung von einer kleinen Party? Ich runzelte die Stirn.
    Kaum jemand nahm Notiz von mir, als ich mit schweißnassen Händen vorüberlief und die offenstehende Haustür ansteuerte. Kurz bevor ich mein Ziel erreichte, rempelte mich eine junge Frau an. »Sorry«, sagte sie.
    »Kein Problem«, entgegnete ich, doch sie war längst drei Meter weiter und drehte sich nicht mehr um.
    Mit angespanntem Körper wagte ich mich langsam weiter der Musik entgegen. Mit jedem Schritt bestärkte sich mein Gefühl, dass das Anrempeln nur ein kleiner Vorgeschmack des Szenarios war, das mich drinnen erwartete. Und ich sollte recht behalten: Offenbar hatten sich alle Götter versammelt und beschlossen, die Hölle für heute Abend in Sophies Haus zu verlegen.
    Ich quetschte mich an einem blutverschmierten Typen vorbei und landete im Wohnzimmer, wo ich mich in alle Richtungen nach Alex umsah. Doch zwischen den ganzen Monstern, die tanzten, in kleinen Gruppen zusammenstanden, oder trotz der Lautstärke versuchten, sich zu unterhalten, konnte ich sie nirgendwo entdecken. Als ich einen Schritt rückwärtsging, stieß ich aus Versehen gegen den Arm eines jungen Mannes, der sich dadurch fast sein Bier über das T-Shirt gegossen hätte. »Oh!«, machte ich mit geweiteten Augen, »Entschuldigung.« Er bedachte mich nur mit einem seltsamen Blick, bevor er sich wieder seinen Freunden zuwandte. Mit leicht erwärmten Wangen kämpfte ich mich in die Nähe der Wand. Schadensbegrenzung nannte man das, denn für die Gäste und meine Haftpflichtversicherung war es sicher besser, wenn ich nur von einer Seite mit Menschen umgeben war. Was ich davon hatte, waren jede Menge künstliche Spinnweben, die sich in meinen Haaren verfingen und die ich einzeln von dort wieder heraus pfriemeln musste. Super .
    Nach ein paar Metern landete ich im nächsten Raum, eine Art überdimensionales Esszimmer, in dem die Anzahl der Leute ein bisschen überschaubarer war. Mein Blick schweifte über die verschiedenen Gesichter, immer mit dem gleichen Ergebnis: Ich kannte kein einziges. David Draimans »Forsaken« hämmerte aus den Lautsprechern und untermalte mit düsteren Klängen die ohnehin schon unheimliche Aura.
    In der Mitte des Esszimmers blieb ich stehen und spielte bereits mit dem Gedanken, mich vielleicht in der Hausnummer geirrt zu haben, als mein Blick plötzlich an jemandem hängen blieb, der mir vertraut war.
    Da stand er. Stand wie eine Statue im Türrahmen zum nächsten Raum und sah in meine Richtung. Er hatte mich entdeckt, bevor ich ihn entdeckt hatte.
    Ich spürte das Blut durch meine Adern rauschen und hörte mein Herz klopfen.
    Elyas.
    Und er war blass. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, die mir eine Gänsehaut verursachten. Mein Blick wanderte herab, zu seinen Beinen, landeten bei einer legeren Jeans, die von einem schwarzen
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