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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition)
Autoren: Carina Bartsch
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ansprechen und dann würde ich endlich erfahren, wo sein Problem lag. Genau! Mit eiserner Miene wandte ich mich um, nur um neben dem Kühlschrank auf eine leere Stelle an der Wand zu blicken.
    Elyas war weg. Ebenso wie Jessica.
    Mir klappte der Mund auf. Langsam glaubte ich nicht mehr an Zufall.
    Es vergingen einige Minuten, bis ich den Weg zurück ins Wohnzimmer suchte. Ich stellte mich zu den anderen und erkor den kleinen weißen Pappbecher zu meinem neuen besten Freund aus.
    Das zeigte Wirkung. Mein Mut, der sich eine kleine Auszeit genommen hatte und zwischenzeitlich mit Schwimmflügeln und Quietscheente nackt durch Berlin gerannt war, kehrte allmählich zurück. Schon seit geraumer Zeit fixierte ich den Türbogen zum Flur, lag wie ein Gepard auf der Lauer und wartete auf den richtigen Moment. Dieses Mal würde ich ihn ansprechen. Dieses verdammte Mal würde ich ihn ansprechen!
    Es dauerte, aber mein Ausharren wurde belohnt. Elyas lief an der Tür vorbei. Ich atmete tief durch, ballte die Hände zu Fäusten und heftete mich an seine Fersen. Doch leichter gesagt als getan. Erst einmal musste ich ihn in diesem Gewühl wiederfinden, was zu einer kleinen Herausforderung wurde. Es waren seine zimtfarbenen Haare, die ihn schließlich verrieten. Mein Ziel fest vor Augen, holte ich immer weiter zu ihm auf. Als ich nur noch zwei, drei Armlängen von ihm entfernt war, tauchte von rechts ein dunkelhaariger Mann auf, der Elyas abfing und ihm begrüßend auf die Schulter klopfte. »Na, Schwarz? Wo hast du denn deine Bierbong gelassen?«
    »Sehr witzig«, hörte ich ihn antworten, als ich mit geweiteten Augen und wie festgefroren stehen blieb. Weil Elyas Anstalten machte, den Kopf in meine Richtung zu drehen, sah ich schnell zu Boden und stolperte wie eine Irre geradeaus weiter.
    Blöde. Feige. Emely! Ich stoppte, trat mir selbst dreimal in den Arsch und sah zu, dass ich Land gewann.
    Eine Stunde später lehnte ich an der Wand im Flur und kam mir schon verdammt noch mal vor wie Columbo. Viermal war ich Elyas mittlerweile durchs gesamte Haus gefolgt. Viermal! Ich war so außer mir, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
    Zwei von den vier Malen, die ich ihm nachgejagt war, war er plötzlich verschwunden, so als hätte er sich in Luft aufgelöst. Das Haus war zwar groß, aber so groß nun auch wieder nicht. Es war mir ein Rätsel, wie er das geschafft hatte.
    Bei meiner letzten Verfolgungsjagd war ich so dicht an ihm dran gewesen wie den ganzen Abend noch nicht. Ich hätte nur meine Hand ausstrecken müssen, um ihn zu berühren, und war direkt in seiner Duftwolke gelaufen. Mein Kopf hatte auf Hochtouren gearbeitet und nach Worten gesucht, mit denen ich ihn stoppen könnte. Aber mein Kopf hatte mich hemmungslos im Stich gelassen, und so hatte ich mich partout nicht zu dem letzten fehlenden Schritt überwinden können.
    Dann auf einmal, und wie aus dem Nichts, war er stehen geblieben und hatte sich zu mir umgedreht. Starrte mich an, und zu einem Karpfen mutiert starrte ich zurück. Einige Sekunden lang, dann senkte ich den Kopf und bog blindlings in die Küche ein.
    Dieser heutige Halloweenabend war definitiv Stoff für meine Memoiren, denn an diesem Abend lernte ich Selbsthass in einer ganz neuen Dimension kennen.
    Die Hoffnung, dass Elyas mein Hinterherlaufen nicht bemerkte, war längst geschwunden. Nicht zuletzt deswegen, weil für einen tollpatschigen Menschen wie mich eine unauffällige Verfolgungsjagd nahezu an Unmöglichkeit grenzte. Ich wusste nicht, womit, aber offenbar hatte ich den Hass des Blumenkübel-Imperiums auf mich gezogen. Die Dinger stellten sich mir reihenweise in den Weg. Dem letzten davon hatte ich es zu verdanken, dass ich um Haaresbreite vor verdammt vielen Menschen auf die Nase gefallen wäre. Durch den lauten Knall war auch Elyas‘ Aufmerksamkeit geweckt worden. Ob er mich noch gesehen hatte, wusste ich nicht, denn ich hatte in meinem Leben noch nie so schnell das Weite gesucht wie in diesem Moment.
    »Meinst du damit mich?«
    Ich hob den Kopf und blickte direkt in das Gesicht eines rothaarigen jungen Mannes. Keinesfalls schätzte ich ihn älter als sechzehn oder siebzehn Jahre. Müsste er um diese Uhrzeit nicht schon längst im Bett sein?
    »Bitte? Womit soll ich dich meinen?«, fragte ich.
    »Dein T-Shirt«, sagte er und deutete auf die Schrift.
    Ich rollte die Augen. Dieses verfluchte T-Shirt. Nein, ganz sicher meinte ich nicht ihn damit, oder stand unter dem »Bite Me« etwa »Haare am
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