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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
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goldener Schnitt, das eine Kugel durchbrach, auf die eine silberne Silhouette zielte. Die Sterne, die Erde, ein Schiff. Der Ankläger meldete sich.
    »Ich möchte an den Beginn der letzten Verhandlung einen Gedanken stellen.«
    »Das Gericht ist aufmerksam.«
    Auch die beiden Roboter waren es. Sie flankierten, zwischen den Pulten von Verteidigung und Anklage stehend, die Richterbank. Silberner Kunststofflack spiegelte das Licht wider; die geschlechtslosen Maschinen trugen auf der Brust das T.I.-Wappen.
    Während sich die Kamera drehte und ihn anstarrte, sagte Thyerry von Nivard :
    »Wir brauchen uns nicht mehr mit Personalien oder mit der Schuldfrage zu beschäftigen – sie sind klar. Die Frage ist: Wie soll sich ein Mensch verhalten, dessen Moralbegriffe, die ihn der Staat gelehrt hat, mit denen des Imperiums kollidieren? Scheinbar ein Dualismus; indes eine Frage nicht nur des Gewissens, sondern des Rechts schlechthin.
    Erkennen Euer Gnaden diese Unklarheit als das Kernproblem der Verhandlung an? Das Sprichwort: ›Was Jupiter gestattet ist, darf ein Vieh noch lange nicht‹, darf hier keineswegs Anwendung finden.«
    Das Netz über dem Antlitz des Vorsitzenden geriet in Bewegung, als er lächelte.
    »Um Ihre Frage zu beantworten: Das Gericht weiß, worüber es heute zu befinden hat. Haben Sie etwas zu sagen, Herr Verteidiger?«
    T’Glastonbury war ein geschulter Psychologe, mit Fakten wie mit Beeinflussung gleich gut jonglierend. Die scharfen Kerben in seinem Gesicht, dem Gesicht eines vierzigjährigen Karriereverteidigers, zeigten die Anspannung. Er sagte:
    »Es fällt der Verteidigung sehr schwer, an die sachliche Richtigkeit der eben gehörten Argumentation zu glauben. Die drei jungen Menschen, um deren Schuld es heute geht, handelten, wie es ihnen die prägende Kraft des Normativen befahl. Nichts wäre geschehen, wenn nicht der Staat die Dinge rund um die Sternenfahrt mit Geheimnissen tabuierte.
    Es ist unangebracht, daß hier die Schuld eines Individuums gegenüber dem Staat diskutiert wird, noch ehe die Schuld oder die Verpflichtung des Staates gegenüber dem Bürger behandelt wird. Hätte der Staat seiner Informationspflicht genügt, würde dieser Grundsatzprozeß nicht stattfinden. Das, Euer Gnaden, bitte ich zu berücksichtigen.«
    Der Verteidiger schwieg, während ein Raunen der Überraschung durch die Reihen der Zuschauer ging. Beaujeu warf T’Glastonbury einen schwer zu deutenden Blick zu, schwieg aber.
    Drei Männer: Beaujeu, Nivard und T’Glastonbury – drei Gegensätze.
    Nivard, reich und unabhängig und daher Junggeselle, war noch in den alten, vorinquisitorischen Jahren ausgebildet worden. Er und Beaujeu wußten, daß jede Rechtssprechung eine Sache des Menschen war, auch wenn die Objektivität litt. Man hätte allerdings keinen Richter gefunden, der mehr Gerechtigkeit verkörperte als Beaujeu. Das wußte Nivard. Und das beruhigte ihn, denn die Anklage stand auf sehr tönernen Füßen.
    T’Glastonbury war blitzschnell und irrte ebenso oft. Sein Hirn war exzellent, und er hatte noch keinen Prozeß verloren; das machte ihn nicht sympathischer. Seine Karriere glich einer steilen Kurve nach oben.
    Und keiner der beiden Männer vermochte mit Ritter Beaujeu zu konkurrieren.
    Der Adlige war integer wie kein zweiter. Beaujeu litt unter Lepra stellaris, und er hatte nur noch wenige Jahre zu leben. Er hatte alles gesehen, was der Kosmos bis zum heutigen Tage offenbarte. Zwei seiner Söhne waren von der Inquisition erschossen worden. Der fehlende Arm war mit der Reaktorkammer eines Schiffes verbrannt, die Beaujeu ausgeschaltet hatte; es gab nur noch zwei Überlebende. Die Lepra fraß seinen Körper von innen auf.
    Sie war nicht ansteckend, aber man konnte sie eindämmen. Die wilden Wucherungen der Hautgewebe wurden verhindert, indem man dem Patienten in einer vierzigstündigen Operation ein Netz von Kunststoffringen einpflanzte. Über sechstausend Ringe mit einem Durchmesser von sieben Millimetern bedeckten die Haut des Ritters. Beaujeu hatte nur noch einen einzigen Ehrgeiz – kein Schatten auf seinem Grab.
    Das waren die Männer, die über den Ausgang dieses Prozesses entschieden. Es war der 19. IV. 2236, und die Fernsehkamera surrte.
     
    *
     
    »Bitte Miß Greenborough in den Zeugenstand«, sagte Ritter Beaujeu.
    Eine Welle der Erwartung durchzog das Publikum; Journalisten, Anwälte und Beobachter von den Kolonien. Der Mord war vor genau vierzig Tagen geschehen.
    Einer der Robots bewegte sich
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