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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
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traf. Kochendes Quecksilber verdampfte und ließ das Wesen würgen und husten; Schaum stand vor den Kiefern. In den Maschinenräumen zerstörte die Energie alles, was sich ihr in den Weg stellte. Die Menge, die das Schiff achtmal zwischen Erde und Zielstern hätte pendeln lassen, verpuffte binnen Sekunden. Der Meiler war rotglühend, einige Stellen der Isolierung rannen in trägen Bächen auf die Platten.
    In einem zwanzig Kubikmeter großen Raum sprang es herum und zerstörte alles, was es noch vor Minuten beherrscht hatte – und sich selbst. Ein tobendes Tier, unähnlich allem, was der Mensch kannte, fiel endlich vom Pult in einen Winkel, in dem es dunkel war, schloß die Augen und wurde still. Nur ein katatonisches Beben durchlief den Körper von Zeit zu Zeit.
    Ein Impuls … Er warf die Optik ab, schloß den Ball hermetisch und löste magnetische Halterungen. Eine dumpfe Explosion ging in dem Höllenlärm innerhalb des Schiffes unter. Nahe der Spitze des Schiffes löste sich eine Klappe. Eine blauweiße Flamme aus einem chemischen Triebwerk schob, schneller werdend, die Kugel vom Schiff weg. Nach drei Kilometern Flug polten sich Magnete um und stießen das Triebwerk ab. Die Kugel schwebte in fünf Kilometern Abstand neben dem Schiff her.
    Die CATALUÑA jagte weiter. Das Heck glühte bereits. Dann veränderte sich die Farbe von dunklem Rot über Gelb in ein kreidiges Weiß. Das Schiff detonierte. Glühende Fetzen, Schrott und lange Rauchfahnen jagten auseinander, behielten aber den kinetischen Impuls. Ein kosmischer Schutthaufen kühlte sich sofort ab und ging auf eine lange, einsame Reise. Nicht ganz zweihundertfünfzig Jahre später würde das Feld der Sonne Alphard ihn einfangen und schmelzen. Der Wert des Schrotts betrug eine Milliarde – es waren die Kosten des Schiffes. Zwei Millionen interstellare Dollar hatte die Ladung gekostet, und das, was acht Menschenleben kosteten, ließ sich nicht ausrechnen.
    Das junge terranische Imperium besaß nur noch fünfhundertsiebzehn Schiffe. Und nur noch fünfhundertsiebzehn Piloten.
    Die Antenne der kleinen, goldüberzogenen Kugel war ausgefahren und strahlte das Signal ab.
    Schiff CATALUÑA zerstört. Informationen auf Band. Schiff …
    Alle achtzig Sekunden heulte der Notruf hinaus. Eines Tages würde ein Suchschiff oder ein Karthograph in die Nähe des Senders geraten. Dann würde man wissen, warum das Frachtschiff nicht auf Tejedor gelandet war. Es war die achtzehnte Kugel, die man später fand. Offenbar war der Mensch – Homo sapiens diluvialis – nicht für das All geeignet. Oder das All nicht für ihn. Achtzehn Schiffe wurden zerstört, im Lauf von fünf Jahren. Wieder funkte die Kugel.
     
    *
     
    Das Brodeln leise geführter Gespräche verstummte, als der Vorsitzende eintrat. Man schrieb hier und heute – im Kristalldom des Obersten Terranischen Gerichtshofs – ein Datum, das rund zweiundneunzig Jahre von dem vorletzten Totalverlust eines Sternenschiffs trennte:
    Es war der 19. IV. 2236 T.N.Z. Heute ging der Prozeß des Jahrzehnts in die letzte Runde. Der kuppelförmige Dom des Saales bestand aus Hunderttausenden wabenförmiger Glasprismen, jedes mit einer Leuchtquelle im Material und in einer anderen Spektralfarbe. Die Barrieren waren aus Granit.
    »Das Gericht wird heute das Urteil verkünden«, sagte der Mann, der den Vorsitz führte. Kapitän Ritter Renaut de Beaujeu hatte trotz seines biblischen Alters eine klare Stimme. »Der Gerichtshof ist sich der Bedeutung dessen, was hier verhandelt wird, voll bewußt. Wir haben die Protokolle des Angeklagten und der Zeugin gehört und deren Einlassungen. Ich bitte um die gebührende Aufmerksamkeit.«
    Auf dem Kontrollschirm der Farbfernsehkamera erschien das Bild des Ritters. Renaut war neunzig Jahre alt, schwer krank und einarmig. Der linke Ärmel der silbernen Kapitänsuniform war umgeschlagen und mit einer Platinagraffe angesteckt. Die tiefbraune Haut des Mannes war von einem Netz aus silbernen Ringen bedeckt; alles schimmerte in dem merkwürdigen Licht der Kuppel. Nase, Wangen, Kinn und Hals, auch die Hand, die greisenhaft zitternd über den Papieren lag.
    »Die Verteidigung ist bereit, Euer Gnaden«, sagte Gilbert T’Glastonbury knapp und verbeugte sich unmerklich. Er haßte Renaut de Beaujeu, respektierte ihn aber.
    »Die Anklage ist ebenfalls bereit«, sagte Thyerry von Nivard gelassen.
    Hinter dem Granitblock der Richterbank sah man das Emblem des terranischen Imperiums. Ein langgestrecktes Viereck –
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