Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
zwanzigjährige muskulöse Irre gab.
    Homo sapiens spannte die Muskeln, um einen weiten Schritt in die Galaxis zu machen, um sich zwischen den Sternen auszubreiten. Und als er gehen wollte, kam ein Schwachsinniger, nahm ihn an der Hand und führte ihn.
    Corte lachte auf. Nieves Stimme riß ihn aus seinen Gedanken.
    »Hier ist unsere K-Klasse.«
    Einer der Trainer hatte die vierzig Männer antreten lassen. Seit fünfzehn Jahren koordinierte Corte die Stationen, und jedesmal staunte er wieder.
    »Phantastisch!« murmelte er. Auf einer der Sportwiesen standen vierzig braungebrannte Männer im Halbkreis. Ausnahmslos waren sie über einen Meter siebzig groß. Kurzgeschnittenes Haar, weiße Zähne, die Figuren junger Toreros. Sie sahen der kleinen Gruppe mit Corte als Mittelpunkt entgegen und schwiegen diszipliniert. Nieves hielt sich im Hintergrund.
    »Noch acht Monate, dann verlassen sie uns.«
    Die jungen Männer trugen lange Hosen und jene Spezialstiefel aus Kunstleder, die sie später wochenlang an den Füßen haben würden. Breite Gürtel mit Haftmagneten schlossen die Hosen ab, darüber glänzten die Oberkörper.
    »In Ordnung«, sagte Corte leise und wandte sich um. »Gehen wir.« Bevor die Gruppe sich teilte, schüttelte Corte den Gruppenleitern die Hände und sagte: »Meine Herren, ich bin beeindruckt. Ich kenne die Stationen schon lange, aber immer wieder fasziniert mich das Bild, das eine Endklasse bietet. Ich nehme an, daß Sie einen Teil Ihrer Befriedigung allein aus diesen Fortschritten beziehen. Irre ich?«
    »Nein«, sagte einer der Neuronentechniker. »Sie irren nicht, Koordinator. Wir vermissen nur, daß wir nicht zehn Jahre später mit unseren … Produkten sprechen dürfen.«
    »Auch hier kann ich Ihnen nur die Antwort geben, die ich jedesmal geben muß: Versuchen Sie, sich in die Lage einer dieser Männer zu versetzen – nachher. Genügt das?«
    Der Techniker nickte langsam. »Ich sehe es vollkommen ein«, erwiderte er, »aber es schmerzt trotzdem. Und die Berichte, die wir von Zeit zu Zeit von den Männern des Außendiensts bekommen …«
    Innerhalb eines Sekundenbruchteils verwandelte sich Corte in einen Mann, der Befehle austeilt und nicht gewohnt ist, Widerspruch zu hören.
    »Diese Berichte stellen das Maximum an Entgegenkommen dar. Und ich warne jeden, der privat Nachforschungen betreibt und so den Gang der Dinge beeinflußt. Es sind bisher vierzehn Psychologen verbannt worden. Die Urteile werden schnell gefällt, und sie sind nicht mild. Ich beschwöre Sie in Ihrem eigenen Interesse, niemals etwas zu versuchen. Wir merken es, und wir schlagen zu.« Dann, mit veränderter Stimme:
    »Mann – genügt Ihnen nicht das, was wir hier alle schaffen? Genügt nicht, daß die gesamte Erde die Früchte von den neun Stationen erntet? Es muß genügen.«
    Der Techniker senkte den Kopf.
    »Sie haben recht Koordinator«, sagte er und ging langsam zum Wohnhaus hinüber. Corte nahm die Hand der Frau und verschränkte die Finger. Dann entspannte er sich und sagte, fast nicht hörbar: »Und wir setzen uns in einen Wagen und fahren los. Mit zwei kleinen Koffern. Irgendwohin. Wo es Sonne gibt, die See und Sand. Und dich.«
    »Juan«, sagte sie fast erschrocken, »du überraschst mich!«
    »Ich friere. Ich habe wenig Lust, dieses perfektionierte Spiel als Dauerzustand zu betreiben. Ich sehne mich förmlich nach jemandem, der eine Seele hat, die nicht zerbrochen ist. Fahren wir?«
    »Ja«, sagte sie leise. »Fahren wir – schnell.«
    Eine halbe Stunde später stob der Caesar hinunter zur Küste.
     
    *
     
    Noguera summte:
    »… nicht war Sand noch See noch Salzwogen, nicht Erde unten noch oben Himmel, Gähnung grundlos, doch Gras nirgend.«
    Dann streckte er eine Hand aus, verglich die Ziffern zweier Zahlenreihen, die aus den Augen des kantigen Gesichts vor ihm blinkten, und betätigte einen Schalter. Eines der Augen schloß sich freundlich, glühte noch einmal rot auf und erlosch dann. Eine warme Stimme sagte: »Gut.«
    Ein kleines Glöckchen klingelte. Auf der Stirn des Gesichts erschienen farbige Wellenlinien. Sie besagten, daß Noguera einen weiteren Schalter umlegen mußte, um etwas tun zu lassen.
    »… von Süden die Sonne, des Mondes Gesell, rührte mit der Rechten den Rand des Himmels.«
    Die Stabreime der Edda waren Rückstände aus der Sprachschulung, die der Mann irgendwann erhalten hatte. Die Zeit zwischen den Spielen vertrieb er sich damit, die Erinnerungen seines Hirns zu reproduzieren; irgendwie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher