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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
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gefiel es ihm, den Klang seiner dunklen Stimme in der Kugel des Raumes zu hören. Das Gesicht vor ihm, in Wirklichkeit ein hochkompliziertes Halbrobotgerät, spielte mit ihm eines der Spiele, die er so liebte.
    Plötzlich vermißte er die Gestalt, deren Umrisse er in seinem Erinnerungsschatz fand; ein weißes Ding, abgerundet und weich, gut riechend. Er wußte auch den Namen dafür: Roboter . Das Spiel ging weiter …, lief schon seit fünfzehn Tagen.
    Noguera lehnte sich zurück, betrachtete die unzähligen Punkte um ihn herum und dachte Linien. Diese dünnen Fäden verbanden Punkte miteinander, spannten sich wie die starren Netze eines anderen Spieles von einem Punkt zum anderen, lösten sich wieder und veränderten die Position; es war lustig und schön.
    »Siebzehn«, sagte eine Stimme. Sie drang, dunkel und voller Wärme, aus einem ovalen Loch des Gesichts, unter einem Steg aus leuchtenden Strichen. Siebzehn war eine Zahl des Großen Spieles.
    »Ja«, erwiderte Noguera und drehte einen Schalter herum. Auf der Nase des Gesichts erschien ein schwarzer Punkt und kroch die Leiter hinauf. Der Fünfundzwanzigjährige in dem bequemen Sessel kicherte.
    Er sagte: »Die Sonne kannte ihre Säle nicht, die Sterne …«
    »Hast du Hunger?«
    »Nein, Nannie«, antwortete er, »für Nacht und Neumond wählten sie Namen.«
    »Fein. Achtzehn.« Die Stimme lächelte milde für Noguera. Diesmal war es ernst; der Mann zupfte sich mehrere Male am Ohrläppchen und konstruierte eine Spirale. Ein rundes Fenster wurde hell und zeigte das Spielfeld. In der Mitte des Feldes erschien ein bunter Ball, der mit zackigen Schleiern aus Gold, Grün und Blau bedeckt war. In dem Maße, in dem die schlanken, gebräunten Finger Nogueras mittels zweier Drehknöpfe eine Linie schufen, erweiterte sich eine Spirale um den Ball und umgab ihn bald wie die Spur eines schnellen Lichts.
    »Gut«, sagte das Gesicht. »Neunzehn.«
    Die linke Hand schob einen Hebel vorwärts. Eine Tonleiter aus Summtönen wurde laut, sie bewegte sich von oben nach unten. Als der letzte Ton, ein Gis, verklang, erhellten sich sämtliche Fenster rund um Noguera.
    »Hell, fein«, sagte er. »… benannten Morgen und Mittag.«
    Assoziationen krochen entlang von Nervenbahnen und schufen ein mattes Gefühl: Durst.
    »Ich habe Durst!« verkündete der Mann.
    Die Stimme antwortete langsam und sehr eindringlich.
    »Noch nicht. Wir müssen das Spiel fertig spielen. Es dauert eine Stunde.«
    »Eine Stunde – zu lange.« Noguera begann zu weinen. Tränen sickerten aus den großen Augen.
    »Nicht weinen!« tröstete die Maschine. »Wir spielen weiter. Zwanzig!«
    Ein grelles Licht stach dem Mann in die Augen. »Hi – noch mehr hell«, sagte er kichernd und bewegte mit der Rechten einen anderen Stab, der an seinem oberen Ende eine weiße Kugel trug, in einem langen Schlitz bis zu einer Marke. Dort rastete der Stab leicht knackend ein. Zahlen erschienen auf einem viereckigen Leuchtfeld, dem Ohr des Gesichts:
    8 … 6 … 5 … 3 … 1,3
    Bei der letzten Zahl stoppte Noguera den Reigen mit einem Knopfdruck. Er konnte nichts anderes tun, denn erstens waren sämtliche Manipulatoren gesperrt, zweitens gehörte es einfach zum Großen Spiel. Bisher hatte er stets gewonnen. Wie oft? Er forschte in seinem Gedächtnis nach; vierunddreißigmal – einmal hatte ihn das Gesicht geschlagen. Er hatte aber kurz darauf wieder gewonnen, wie so oft.
    »Zwielicht und Abend, die Zeit zu messen.«
    Seit langer Zeit saß Noguera in der Kugel, die dreimal seine Größe als Durchmesser hatte. Er schlief in dem Sitz, der nach hinten umklappte und zum Bett wurde, nachdem sich die rote Farbe in ein steriles Weiß verändert hatte. Die Dusche und Toilette waren neben dem Schrank mit den bunten Kleidern, und das Gesicht gab ihm alles, was er brauchte. Gespräche, Nahrung und Musik. Das Spiel dauerte sechsundzwanzig Züge. Jeder Zug wurde vom Gesicht angesagt. Dann liefen einige Schaltungen ab, die jeweils gewisse Reaktionen auslösten. Die grüne Lampe des Schiedsrichters hatte bisher stets auf der Seite des Mannes aufgeleuchtet, nicht aber auf der Seite des Gesichts. Zwischen den einzelnen Zügen verging manchmal viel Zeit.
    »Noguera!« sagte der Mund des Gesichts. »Du mußt jetzt die Punkte ansehen. Es gehört zu den Regeln.«
    Das große Fenster, eine durchsichtige Halbkugel über dem Kopf des Mannes, änderte seine Farbe. Es wurde dunkel. Aus der Schwärze leuchteten unzählige Punkte in mehreren Farben. Sie
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