Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
war geneigt, Ihre These fast zu akzeptieren. Je länger ich aber darüber nachdenke, desto mehr muß ich sie ablehnen. Sie ist zu verwoben und zu verstrickt. Demnach wären wir alle nichts anderes als eine Figur in einer unendlichen Reihe von Duplikaten, und das widerspricht nicht nur meiner Überzeugung.«
    »Aber ...«, begann Grenelle.
    »Die Grundidee aber kann ich akzeptieren«, schloß Nicholas.
    »Warum ereiferst du dich eigentlich so darüber?« fragte Claudine.
    »Deshalb, weil ich gewissermaßen gegen mein Gefühl reden muß. Ich muß es mit meiner Vernunft ablehnen«, sagte Nicholas leise, »spüre aber, daß irgendwo etwas Wahres daran sein kann – nicht muß!«
    Grenelle legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte die Finger zusammen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Denken Sie nicht zu sehr daran, ich selbst, und ich beobachte diese Möglichkeiten seit fast zwanzig Jahren, messe ihnen für mein eigenes Leben keine Bedeutung zu. Es ist nicht viel mehr als eine intellektuelle Spielerei, vielleicht mit ernstem Hintergrund, aber nicht bedeutend oder prägend. Interessant, aber nicht lebenswichtig, ja?«
    »Natürlich«, sagte Nicholas. »Ich betrachte es auch nicht als einen Bekehrungsversuch. Ich lehne die These nur ab.«
    »Ihr gutes Recht«, sagte Grenelle lachend. »Aber, dann dürfen Sie auch nicht sagen, daß Ihre Bilder Visionen sein könnten. Sie sind dann nichts anderes als Gedanken, die zur Malerei geworden sind, aber nicht exakt ausgeführt wurden.«
    »So könnte man es bezeichnen«, sagte Nicholas.
    »Trinken wir noch eine Runde?« fragte Grenelle.
    »Wenn Sie zulassen, daß ich zahle?« sagte Nicholas.
    »Warten Sie«, meinte Grenelle und lächelte, »mein Gehalt ist vermutlich größer als Ihr Wechsel. Machen Sie mir die Freude.«
    Nicholas nickte.
    »Dreimal Cola mit Rum«, bestellte Grenelle.
    »Ich werde ewig an Sie denken, Monsieur«, sagte Claudine und legte ihren Arm um Nicholas Schultern.
    »Warum?«
    »Sie haben Nicholas dazu angeregt, intensiv nachzudenken. Das tut er sonst nie, wenn er sich mit mir unterhält.« Nicholas erwachte aus seiner Starre und lachte.
    »Recht so«, sagte er. »Mache mich nur schlechter, als ich bin.«
    Die Gläser kamen, und die drei Gesprächspartner prosteten sich zu.
    »Ich habe selten Gelegenheit«, sagte Grenelle, »mich mit so netten jungen Leuten zu unterhalten, wie Sie es sind.« Nicholas sah ihn an, und Grenelle wußte nicht, ob der junge Mann wütend war oder nicht.
    »Ich meine es ernst. Wenn Sie keinen Wagen haben, darf ich Sie nach Hause fahren?«
    »Nur, wenn Sie mindestens einen Jaguar oder einen langen weißen Amerikaner fahren«, sagte Claudine lachend.
    »Ich fahre einen offenen Citroën«, sagte Grenelle. »Glauben Sie, ich werde der französischen Automobilindustrie untreu?«
    »Ein Mann mit so revolutionären Ansichten müßte eigentlich einen Aston Martin fahren, wie berühmte Schriftsteller, oder etwas Ähnliches.«
    »Monsieur«, sagte Nicholas todernst. »Hören Sie zu. Sie sind ein netter Mensch, Claudine ist ein netter Mensch, ich vermutlich auch, obwohl ich mich für ein Scheusal halte. Lassen Sie uns austrinken und fahren. Ich hoffe, Sie rasen derartig, daß man nicht hört, wenn dieses Mädchen hier redet. Sie ist sonst ganz vernünftig, aber heute scheint sie das Cola enthemmt zu haben!«
    »Mein Gott«, sagte Claudine, »bist du heute originell!«
    »Ich versuche nur, mich dir anzupassen!«
    »Jetzt ohne Spaß«, meinte das Mädchen. »Bringen Sie uns tatsächlich heim?«
    »Wirklich, gern«, sagte Grenelle.
    »Das ist nett«, sagte Nicholas. »Sieht man Sie öfters hier?«
    »Unregelmäßig, aber nicht selten«, antwortete der Bärtige. Es war, wie er nach einem Blick auf sein Handgelenk feststellte, weit über Mitternacht.
    »Ich wohne Ecke Rue Claude Bernard und Vauquelin. Claudine fährt mit. Sie möchte noch mein Bild sehen.«
    »Eine Ihrer ... Visionen?« fragte Grenelle anzüglich. Nicholas lachte kurz.
    »Nein, eine Ölstudie. Ein Männerkopf.«
    »Aufpassen«, sagte Claudine und unterbrach die Unterhaltung, »lassen Sie uns gehen. Ich koche uns in Nicholas Studio noch einen starken Kaffee. Ist das ein Vorschlag?«
    »Zufälligerweise ist nur wenig Unordnung«, murmelte Nicholas.
    »Welch seltenes Glück.«
    »Ich nehme an«, sagte Grenelle, zahlte und stieg vom Hocker. Nicholas hob Claudine herunter, nickte der Studentin zu und ging voraus zum Ausgang. Das Mädchen hinter dem Garderobenbrett rauchte und las
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher