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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine
Autoren: Hans Kneifel
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nichts, aber es freute ihn nicht gerade. Schließlich war er nicht der einzige Mann in Paris.
    »Dasselbe noch einmal«, bat Claudine. Sie legte ihre Zigaretten auf die Theke, warf ein Briefchen Streichhölzer dazu und bot dann Grenelle und Nicholas an. Während der Student das Streichholz löschte, stellte das Mädchen vor Claudine und Grenelle gefüllte Gläser hin.
    »Zu Ihrer Theorie, Monsieur Grenelle«, sagte Nicholas langsam und stäubte die Zigarette ab, »was ist Ihrer Ansicht nach der Grund solch schizophrener Träume?«
    »Lachen Sie mich nicht aus«, sagte Grenelle ernst, »glauben Sie, daß es mehrere Dimensionen gibt?«
    »Mathematisch bin ich nicht ganz unerfahren«, sagte Nicholas, »natürlich gibt es mehrere Dimensionen. Sie meinen es vermutlich mehr metaphysisch?«
    »Genau. Die Träume kommen aus dem Unterbewußtsein, und das Großhirn, tagsüber aktiv und nachts weniger, verarbeitet die sonst unterdrückten Fakten zu Träumen. Manchmal merkt man, daß man geträumt hat. Man erwacht und erinnert sich – ich persönlich schreibe alles sofort auf. Ich habe eine Menge beschriebener Blätter zu Hause. Sie würden sich wundern, was ich seit zwanzig Jahren an Unsinn und an sehr realen Dingen geträumt habe.«
    »Ja – weiter«, sagte Nicholas.
    »Wenn man annimmt«, fuhr Grenelle fort, »daß diese Welt nicht die einzige bewohnte ist – was rechnerisch sehr leicht nachzuweisen, aber nicht de facto zu beweisen ist – können wir damit rechnen, daß es auch viele erdgleiche Welten gibt.«
    »Sie meinen Planeten, die sozusagen identisch mit der uns bekannten Welt sind?« fragte Claudine und drückte ihre Zigarette aus.
    »Das meine ich«, sagte Grenelle.
    »Aber – wir bewegen uns von den ziemlich realen Träumen auf ein durchaus irreales Gebiet, nämlich zur Existenz von Parallelwelten«, sagte Nicholas ungerührt. Es war kein barer Unsinn, was Grenelle sagte, aber es war auch alles andere als fundierte Wissenschaft.
    »Keineswegs«, widersprach Grenelle, »sehen Sie, Monsieur ...«
    »Magat«, sagte Nicholas. »Nicholas Magat.«
    »Monsieur Magat. Wenn Sie den Bereich des Unbewußten anerkennen, dann müssen Sie auch zugeben, daß verschiedene Dinge in verschiedenen Dimensionen an einem Ort gleichzeitig vorhanden sind. Ist das gedanklich faßbar?«
    »Natürlich«, sagte Nicholas. »Wenn ich auch zugeben muß, daß Sie reichlich viel Relativitätstheorie oder ähnliches für die Erklärung Ihrer Träume zu brauchen scheinen.«
    »Auch da irren Sie. Ich komme mit einem einzigen Satz aus.«
    »Und der heißt?« fragte Claudine.
    »Zur selben Zeit existiert ein und derselbe Mensch in vielen Ebenen.«
    Nicholas schwieg und dachte darüber nach. Dann sagte er langsam und ungläubig:
    »Das hieße, daß ich, Nicholas Magat, jetzt augenblicklich in einer Menge von identischen Personen auf anderen Welten lebe. In Personen und Welten, von deren Vorhandensein weder Sie noch ich noch irgend ein anderer Mensch ahnen?«
    »Sie haben den Sinn restlos erfaßt«, sagte Grenelle zufrieden. Sein rechter Nachbar, der Nicholas vor Grenelles Märchen gewarnt hatte, sah herüber und lachte.
    »Sind Sie bereits bei der Grundlegung der Grenelleschen Thesen angelangt?«
    »Wir diskutieren bereits ihre Unmöglichkeit«, sagte Nicholas eine Spur zu freundlich. Der Nachbar verstand und unterhielt sich weiter mit dem Mädchen hinter der Bar.
    »Das hieße ferner«, warf Claudine angeregt ein, »daß unsere Träume – ich meine nur die sinnerfüllten – geschehene Abenteuer oder Erlebnisse unserer Parallelfiguren sind.«
    »Sie haben recht!« sagte Grenelle.
    »Wissen Sie«, warf Nicholas ein, »ich interessiere mich aus einem einzigen Grund für Ihre Ausführungen.«
    »Und der ist?«
    »Ich habe eine nicht geringe zeichnerische Begabung; ich könnte sonst nicht versuchen, Architektur zu studieren.«
    »Glauben Sie's nicht«, sagte Claudine lachend, »er ist ziemlich begabt. Er wäre erfolgreicher, wenn er nicht versuchen würde, merkwürdige Konstruktionen zu malen. Es sind mehr Visionen als Bilder.«
    »Claudine sagt das Richtige«, meinte Nicholas ernst. Grenelle sah, daß der junge Mann graue Augen hatte. Goldene Pünktchen irrlichterten darin in der rotgelben Beleuchtung der Bar. Interessante Augen, dachte der Bärtige.
    »Ich male hin und wieder ein Bild, das ich unsigniert verkaufen kann«, sagte Nicholas. »Von dem Geld kaufe ich mir Schallplatten oder Bücher. Abgesehen von Ölschinken oder Kohlezeichnungen, bei
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