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Tschoklet

Titel: Tschoklet
Autoren: Harald Pflug
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Mädchen, alle so zwischen zehn und zwölf Jahren alt, hatten Roebuck, der gerade den Dodge nachtankte, eine Flasche Wein überreicht. Dafür bekamen sie von ihm mehrere angebrochene Dosen Fleisch mit gebackenen Bohnen, Milchpulver und zwei Dosen mit Erdnussbutter geschenkt. Die von der Army ausgegebenen Kartons mit den C- und K-Rationen waren wohl sicherlich nahrhaft und schmeckten den meisten. Aber alles konnte man davon nicht essen. So flog es entweder weg oder wurde gesammelt und verschenkt. Am meisten freuten sich die Kinder über Schokolade oder Kaugummi, den Private Piece meist verteilte. »Chewing gum!«, sagte er immer nur. Erst als die Kinder auch »Tschuinggamm« sagen konnten, ließ er sie wieder gehen.
    Roebuck steckte die Flasche grinsend, mit einem Seitenblick zu Edwards, in seinen Rucksack: »Wenn wir mal unter uns sind.«
    Als die Alliierten in Europa ankamen, wurde ihnen von der Führung eingetrichtert, nichts von der Bevölkerung anzunehmen. Es bestünde immer die Gefahr, dass die Lebensmittel vergiftet seien. Da ein Großteil der Bevölkerung aber hungerte, wäre es eigentlich Selbstmord, vergiftete Waren zum Tausch gegen andere Lebensmittel anzubieten. Roebuck jedenfalls hatte schnell gemerkt, dass ihm der deutsche Wein besser schmeckte als der französische. Von dem bekam er nämlich immer Sodbrennen. Auch das Bier, welches die Deutschen brauten, schmeckte besser als das mitgebrachte amerikanische. Zumindest war mehr Alkohol drin, das war das Wichtigste. In Mannheim hatten sie von zwei Hilfsarbeitern im Tausch gegen Zigaretten einen Karton mit Eichbaum-Bier bekommen.
    Als Hucky sich zu den Zelten hin umdrehte, liefen die anderen Soldaten bereits im ganzen Lager herum, bauten die Zelte ab, verstauten die Rucksäcke auf der Ladefläche des Dodge und in den Transportkörben außen an der Halbkette oder machten sich selbst fertig zur Abfahrt. Corporal Miller saß schon wieder am Funkgerät und empfing die neuesten Befehle für die Scout-Einheiten, die allgemeinen Nachrichten und die täglichen Informationen an die Truppe. Nebenbei fädelte er gerade neue Schnürsenkel in seine Gamaschen. Captain Edwards hockte zusammengekauert auf dem Beifahrersitz der M3 Halbkette und studierte eine Landkarte der Region. Den obligatorischen Becher mit heißem Kaffee hatte er vor sich auf die schmale Konsole des Armaturenbretts gestellt.
    »Jetzt sucht er wieder den besten Weg, um nicht ständig als Taxi von der Bevölkerung ausgenutzt zu werden!« Sergeant Vickers, der Fahrer der M3, lief an Hucky vorbei und zwinkerte ihm zu. Dieser grinste zurück und grüßte ihn militärisch extra korrekt. Vickers lachte. Er war ein sehr erfahrener Soldat, hatte schon über vier Jahre Dienstzeit bei der Army hinter sich und war schon kurz nach dem D-Day 1944 in der Normandie mit seiner motorisierten Einheit an Land gegangen.
    Zu Hause in Fort Lauderdale in Florida wurde dem Sechsunddreißigjährigen noch kurz vor dem Kriegseintritt Amerikas von seinem Vater eine große, gut gehende Autowerkstatt mit Neuwagenhandel übergeben. Vickers wurde von allen anderen sehr bewundert. Außerdem kaute er eigentlich ständig Kaugummi, hatte immer ölige Finger und war für absolut jeden Scherz zu haben. Manchmal überzog er die Scherze, weswegen er früher einmal strafversetzt wurde. Wie die meisten amerikanischen Soldaten, war auch er ein Kettenraucher. Bei jedem Halt, egal wie kurz, qualmte er vor dem Fahrzeug eine Zigarette. Obwohl Edwards selbst Raucher war, hatte er dem kompletten Team das Rauchen während der Fahrt verboten.
    »Kennst den Alten schon besser als wir alle? Ist recht, der Captain hat gerne junge Leute um sich.«
    Dann öffnete er die linke Motorhaube, machte einen kleinen Handgriff irgendwo am Motor und ließ den Deckel wieder lautstark zufallen. Er schwang sich wie ein Cowboy auf den Fahrersitz, warf die gepanzerte Tür mit den Sehschlitzen hinter sich zu und startete den Motor.
    Zwei Stunden später rollten die Fahrzeuge gemächlich am Neckarufer entlang, in Richtung des nur leicht zerstörten Ilvesheim, weiter hinten im Morgennebel ragten die Reste der gesprengten Neckarbrücke drohend aus dem Flussbett heraus. Amerikanische Pioniere hatten schon kurz nach Ostern 1945 nördlich von Seckenheim, schräg gegenüber der Loretto-Kaserne, {2} eine Pontonbrücke errichtet. Die Wachleute warteten bereits geduldig am Ufer, um die zwei Fahrzeuge über den hier etwa sechzig Meter breiten Fluss zu dirigieren. Seit Anfang April
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