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TS 86: Geist ohne Fesseln

TS 86: Geist ohne Fesseln

Titel: TS 86: Geist ohne Fesseln
Autoren: Hans Kneifel
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Jahren zu beenden. Ich bin ziemlich sicher, daß dies auch in Ihrem Sinn liegt, Kapitän?“
    „Sie täuschen sich nicht, McKinney“, antwortete der Kapitän. Auch er war nicht deshalb Soldat, weil kein anderer Beruf ihn ausgefüllt hätte, sondern weil er die Grenzen seines heimatlichen Systems gegen die Eindringlinge verteidigen wollte.
    Der Kapitän drehte das Gesicht ab, so daß niemand erkennen konnte, daß auch er der Kämpfe müde war. Die Verzweiflung über den elf Jahre dauernden Krieg sprach aus seinen Zügen, als er aufstand und den Raum verließ. Auch er war nur ein Mensch, und er war an der Grenze der Selbstbeherrschung angelangt. Hinter ihm schloß sich dumpf die schwere Schottür.
    Das war zu der Stunde, in der die letzten Reparaturmannschaften das Schiff verließen und die ersten Offiziere eintrafen und ihre Plätze einnahmen, zu der Stunde, in der weit draußen im Raum vier Schiffe aufeinanderprallten und ihre tödlichen Breitseiten abfeuerten, um den Gegner zu vernichten und zu der Stunde, in der, mit vier anderen Planeten auch Saragossa endgültig in die Hand der Quaysa fiel.
    Die drei Menschen unterhielten sich weiter, aber sie taten es auf eine besondere Art. Die massige, ruhige Gestalt des ,Alten’, wie Carel McKinney genannt wurde, wanderte ruhelos durch den Raum, blieb stehen, um einen Gegenstand gedankenlos zu betrachten oder in eine seiner großen, mit Sommersprossen bedeckten Hände zu nehmen und anschließend wieder an seinen Platz zu stellen.
    So Pak Lau, der Asiat, der nicht ganz sechsundfünfzig Jahre zählte und dessen Züge von einem stetigen, innerlichen Lächeln verschönt wurden, saß aufrecht und wachsam in seinem Sessel. In seiner geschlossenen Hand lag ein Cano, ein Stein der Konzentration. Es war So Pak zu jeder Zeit möglich, seine Gedanken so zu konzentrieren, daß er die Gedanken anderer Menschen lesen konnte. Auch Renata saß still da und betrachtete den Iren, bis sich endlich McKinney auf die breite Lehne des Sessels niederließ und aufsah.
    Er sprach zu dem Mädchen, ohne zu reden.
    Denn er und seine Freunde waren vollendete Telepathen. Das war ein Teil ihres großen Geheimnisses.
    „Ich wollte meinen Augen nicht trauen, Renata, als ich dich in Saragossa Sea City sah. Du solltest doch mit den drei Kindern zurückfliegen, als der Planet evakuiert wurde?“
    McKinney hatte schweigend gefragt. In weniger als einer Sekunde antwortete Renata blitzschnell und lautlos.
    „Ich war mit Tadros, Lumgair und Timmermann auf Saragossa beschäftigt, das ist richtig. Nachdem ich die Kinder an Bord gebracht hatte, ging ich zurück, um meinen Patienten zu holen. Es war ein armer Kerl; ein Gorquon, der bei den ersten Angriffen ein Bein verloren hatte. Es gelang mir, nachdem ich tatsächlich das Schiff versäumte, ihn ein halbes Jahr lang am Leben zu erhalten.
    Aber er verlöschte wie eine Kerzenflamme, gerade, als die Soldaten mir in den Keller folgten. Er war am Ende. Sind die drei Kinder auf einer Schule?“
    So Pak antwortete an McKinneys Stelle.
    „Sie gehen hier in eine normale Schule und unterscheiden sich in keiner Weise von durchaus mittelbegabten Kindern. Niemand ahnt etwas von ihren Sonderbegabungen. Ich fand außerdem vier andere Kinder – in Waisenhäusern, verstoßen aus der Gesellschaft, ausgemergelt und von einer erschreckenden Verwahrlosung.“
    Er lächelte Renata an. Jeder der fünf Lehrer liebte Renata auf seine Art, sie hatte sich seit ihrem Erscheinen vor drei Jahren sämtliche Herzen erobert.
    Die drei Menschen verkehrten korrespondierend unter völliger Ausschaltung einer Sprache oder Schrift; blitzschnell wurden die Gedankenengramme ausgetauscht. Auf diese Weise konnten viele Dinge ausgedrückt werden, die zu schildern oder zu definieren einer jeden gesprochenen Sprache versagt war. Empfindungen, Gefühle oder Klassifizierungen waren aus einer derart breiten Skala ausgesucht, daß sie Teile eines Ganzen waren – große Teilgebiete eines Ganzen, das schier unermeßlich war.
    „Ich fand eine ausgezeichnete Paraphysikerin, starrend vor Schmutz und geistig sehr verhärtet und verklemmt, und ließ sie über einen Mittelsmann adoptieren. Nachdem sie sich fast ein halbes Jahr nutzlos gegen meine Liebe gewehrt hat, akzeptierte sie mich schließlich als ihren einzigen Vertrauten. Jetzt ist Riccini eine aufblühende Schönheit, und ich muß sehr auf sie aufpassen.“
    So Pak lächelte intensiver und sah Renata in die dunklen Augen.
    Vor dem geistigen Auge des Asiaten
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