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TS 85: Endstation Zukunft

TS 85: Endstation Zukunft

Titel: TS 85: Endstation Zukunft
Autoren: Edmund Cooper
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normale Reaktion. Dr. Krypton sah sich seinen Patienten genauer an und versuchte zu erraten, ob er zu dem langweiligen oder dem unterhaltsamen Typ gehörte. Wenn er zu der ersten Sorte gehörte, dann war eine sofortige Operation der beste Weg, ihn wieder loszuwerden. Gehörte er aber zur zweiten Kategorie, dann konnte es ganz amüsant sein, wenn man ihn noch eine Weile unter Beobachtung stellte.
    „Sie kennen meine Qualifikationen?“ fragte er dann.
    „Natürlich, Sir! Alpha-Koordinator, Psychiater und Neuro-Chirurg.“
    „Sie wissen, wie hoch mein GQ/HQ ist?“
    „Einsdreifünf, beziehungsweise einssiebennull.“
    „Gut, das macht die Sache vielleicht etwas leichter. Ich habe Ihnen also fünfundfünfzig Intelligenzpunkte voraus und außerdem bin ich beauftragt worden, über Ihr Schicksal zu entscheiden.“
    „Das ist mir bekannt.“
    „Sie haben es nun in der Hand – entweder arbeiten Sie mit mir zusammen oder Sie lassen es. Wenn Sie glauben, daß Sie überzeugend genug lügen können, dann tun Sie es bitte, so lange Sie Spaß daran haben. Unser Gespräch ist sowieso eine Art Schachspiel – allerdings mit dem Unterschied, daß Sie ohne Dame spielen müssen.“
    Dr. Byron richtete sich auf und sah dem Psychiater in die Augen. „Ich nehme an, daß mein Paß bei Ihnen ist, weil meine Leistungen nachgelassen hatten?“
    Dr. Krypton schüttelte den Kopf. „Die Gründe, die dazu führten, daß ich einen Paß bekomme, erfahre ich nie – ich erhalte ihn einfach zugeschickt und muß den Inhaber als Patienten behandeln … Den Grund wissen Sie wahrscheinlich besser als ich!“
    „Ich könnte ja zum Beispiel eine Verschwörung geplant haben …“
    „Das wäre kaum genug. Jeder hat das schon einmal getan – sogar Alpha-Koordinatoren haben es gelegentlich versucht. Ich befürchte allerdings, daß Sie unglücklich sind und daß ich aus diesem Grunde eine Operation vorschlagen muß.“
    Dr. Byron lächelte plötzlich. „Ich sehe ein, daß Sie mit Ihrer Diagnose recht haben und bin bereit, mich behandeln zu lassen. Wann wollen Sie operieren, Sir?“
    Der Psychiater beugte sich interessiert vor. Endlich einmal jemand, der die Sache von einer anderen Seite aus sah! Normalerweise bereiteten sich seine Patienten anders auf seine Entscheidung vor – indem sie sich die Pulsadern öffneten oder sich sinnlos betranken. Dieser Dr. Byron schien sich gar nichts aus seiner Entscheidung zu machen …
    „Sie haben es ja ziemlich eilig“, bemerkte Dr. Krypton. „Warum haben Sie eigentlich nichts gegen die Operation einzuwenden?“
    „Weil“, antwortete Dr. Byron, „der gegenwärtige Zustand Illusionen in mir erzeugt.“
    „Vielleicht hat niemand eine Zukunft vor sich, der keine Illusionen hat?“
    Dr. Byron hob die Augenbrauen. „Sagen Sie das in Ihrer Stellung als Alpha-Koordinator?“
    Der Arzt lachte leise. „Ketzerei war schon immer das Vorrecht der Elite – jedenfalls seitdem die alten Griechen damit begannen.“
    Byron schwieg einen Augenblick und sagte dann langsam: „Unter Blinden ist der Einäugige König. Ich bin von dem Gedanken besessen, daß ich in einem Lande lebe, in dem man mich vom Sehen abhalten will – weil die anderen blind sind. Ich kann aber sehen! Ich sehe den langsamen Verfall, an dem dieses Kastensystem die Schuld trägt. Ein Planet, auf dem früher drei Milliarden Menschen lebten, wird heute nur noch von zehn Millionen in hundert Städten bewohnt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß die Geschichte in den letzten hundert Jahren stillgestanden hat? Nichts geschieht mehr – nichts kommt dazu und nichts geht verloren. Die künstlich geschaffenen Städte sind Spielzeugkulturen, die langsam ablaufen, weil niemand da ist, der sie wieder aufzieht.“
    „Außer Ihnen, nehme ich an“, sagte Dr. Krypton mit sarkastischem Tonfall. „Warum haben Sie sich nicht einfach eine Beta-Technikerin gesucht und Ihre Komplexe in einem geordneten Hausstand abreagiert?“
    „Ich glaube nicht, daß das eine dauernde Lösung für Probleme wäre, die mit Idealen zusammenhängen!“
    „Was bezeichnen Sie als ,Ideale’?“
    „Dinge, die nicht greifbar sind“, gab Byron zurück, „Wahrheit, Liebe, Schönheit. Und Humanität.“
    „Die drei ersten sind Abstraktionen ohne genau definierbaren Sinngehalt. Die Menschheit hat sich bis heute noch nicht darüber einigen können, was sie genau bedeuten sollen, aber trotzdem haben sie schon mehr Schaden angerichtet als die Atomkriege des letzten Jahrhunderts.
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