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TS 68: Die Stadt im Meer

TS 68: Die Stadt im Meer

Titel: TS 68: Die Stadt im Meer
Autoren: Wilson Tucker
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Massendesertion verhindern? Und da eine Desertion nicht zu verhindern war, wie sollte sie mit diesem Problem fertig werden?
    Sie konnte die Deserteure nicht bestrafen, das war ihr klar. Wenn die Leute in der Stadt so waren, wie Barra sie beschrieben hatte, würden sie den Soldaten Zuflucht gewähren und sie vor Strafe schützen. Wie konnte sie dann die Disziplin unter dem Rest aufrechterhalten? Wie konnte sie Gehorsam unter denen aufrechterhalten, die nach Hause wollten, zurück in die Kolonie?
    Die Kolonie.
    Und wie konnte sie ihren Vorgesetzten auf den Inseln unter die Augen treten, wenn sie die Hälfte ihrer Truppe verloren hatte, die Disziplin in alle Winde zerstoben war?
    Zee hob die Hand an die Augen und entdeckte Tränen, Tränen, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gekannt hatte.
    Unter den Soldaten herrschte eine angespannte Stimmung. Überall hörte man Gesprächsfetzen, die sich nur um ein einziges Thema drehten: Was tust du? Gehst du zurück? Bleibst du hier? Was wird mit uns geschehen, wenn wir bleiben? Werden wir je unsere Heimat wiedersehen?
    Die meisten waren neugierig auf das, was vor ihnen lag und zeigten keine große Lust, in den ewigen Regen der Kolonie zurückzukehren.
    Was würde der Captain tun? Längst hatten die Soldaten ihr Interesse an dem Mann bemerkt und ebenfalls das des Leutnants. Was würden sie tun? Würden sie um ihn kämpfen? Das wäre ein Schauspiel so recht nach ihrem Herzen.
    Und der Doktor hatte gesagt, daß sie bleiben könnten, ob nun der Captain blieb oder nicht. Sie hatten freie Wahl. Nun, man würde sehen.
     
    Die Kolonne schlug einen großen Bogen um die Ruinen einer riesigen Stadt, die sich meilenweit, so weit das Auge reichte, erstreckte. Wolf hatte sie gewarnt, sich ihr zu nähern und führte die Vorhut von ihr fort. Aller Augen blickten in eine Richtung und suchten die zerstörten Steinriesen, als sie von ferne vorbeizogen.
    „Was ist es, Wolf?“ Barra sah ihn fragend an.
    „Sterben“, sagte er und verbesserte sich dann: „Tod.“
    „Tod in der Stadt? Menschen oder Tiere?“
    „Keine Menschen, keine Tiere. Tod, unsichtbar, unfühlbar.“
    „Ein Tod, den man weder sehen noch fühlen kann? Noch mehr Zauberei deiner Vorfahren?“ Sie konzentrierte ihre Gedanken auf die Frau, die neben Wolf schritt. „Was verursacht ihn?“
    „Ich weiß die Antwort nicht. Sie stand nicht in den Fragmenten. Ich weiß nur, daß nur ein Gang durch die Straßen schon einen schnellen, unsichtbaren Tod herbeiführt. Die Körperhaare fallen aus, die Haut verfärbt sich, die Organe bluten. Es wird einem schrecklich übel und manchmal schält sich die Haut in großen Fetzen ab. Und nach ein paar Tagen stirbt man.“
    „Und nur, weil man durch die Straßen gegangen ist?“
    „Das ist die Wahrheit.“
    „Könnte es von den Kanonen kommen, die Wolf erwähnte?“
    „Nein, es kommt nicht von den Kanonen.“
    Barra ging weiter, die Augen auf den Boden geheftet. „Ich wollte es schon lange erwähnen“, sagte sie, ohne es auszusprechen. „Unsere beiden Offiziere haben große Neugier in bezug auf diese Kanonen gezeigt … Ich möchte vorschlagen, daß Sie ihnen das Geheimnis dieser Waffen nicht verraten.“
    Sekundenlang fühlte sie wieder die Wärme, diese Zustimmung und Billigung ihrer Gedanken. „Keine von euch wird etwas erfahren.“
    „Danke.“ Und dann fragte sie: „Ich hoffe, ihr habt Mittel und Wege, um euch und eure Stadt zu verteidigen?“
    „Die haben wir. Sie haben nichts mit Kanonen oder anderen Waffen zu tun, aber sie sind sehr wirkungsvoll. Mein Sohn hätte Ihnen den Verlust von sieben Leben ersparen können, wenn er diese Fähigkeit beherrschte.“
    „Ach … Wieder einer seiner Mängel?“ Die Ärztin war bemüht, sich vorsichtig auszudrücken.
    „Das stimmt.“
    „Ich mochte nicht neugierig sein“, erwiderte Barra. „Aber sagen Sie mir nur dies: Nach dem, was Sie gesagt haben, beruht Ihre Verteidigung nicht auf Handwaffen oder physikalischen Waffen?“
    „Nein.“
    Die stummen Überreste der Stadt blieben zurück, ein ewiges Zeugnis für das Genie früherer Menschen.
    Zee bemerkte, daß sie wieder einer Straße folgten wie der, die sie zu Beginn ihrer Reise gefunden hatten. Sie sagte nichts, überzeugt, daß die Rätsel um die Erbauer dieser Straße sich nicht lösen ließen.
    Aber sie kämpfte immer noch mit ihrem Problem.
    Sie war nun schon so weit, daß sie nicht mehr daran dachte, die Soldaten, die hierbleiben wollten, zu bestrafen. Unbewußt hatte sie
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