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TS 65: Die Zeit-Agenten

TS 65: Die Zeit-Agenten

Titel: TS 65: Die Zeit-Agenten
Autoren: Sam Merwin jr.
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nannte sie sich jetzt – sie fühlte, wie ihr Gesicht sich rötete, während sie nach einer höflichenAusrede suchte. „Die Schönheit deiner Ode hat mich träumen lassen.“ Ob er das glaubt? dachte sie sich.
    Sie brauchte sich nicht weiter anzustrengen. Gnaius Laconius ließ seine Manuskriptrolle auf den mit Fliesen belegten Boden fallen. Seine Arme drückten sie auf den Diwan nieder. Seine Lippen flüsterten an ihrem Ohr:
    „Du mußt mein sein oder ich sterbe.“
    Am liebsten hätte sie gesagt „Dann stirbst du eben“, aber sie mußte den Impuls unterdrücken. Statt dessen sagte sie: „Gnaius, was ist in dich gefahren? Du warst noch nie so stürmisch.“
    „Es ist nur, weil du mir noch nie gestattet hast, meine Gefühle zu zeigen, die bei jedem Gedanken an dich durch meine Adern pulsen, o blonde Göttin“, erwiderte er bombastisch.
    Wieder war ihr, als schlüge eine Alarmglocke an. Welches Recht hatte ein Mensch im Rom des Vespasian, etwas vom Blutkreislauf zu verstehen? Ihre Erlebnisse in anderen parallelen Welten hatten sie auf alle möglichen Anachronismen vorbereitet – aber das ging zu weit.
    „Ich bin keine Göttin“, verwies sie schnippisch, nachdem sie ihm einen hingehauchten Kuß auf die Wange gestattet hatte – wobei sie insgeheim befürchtete, daß die vom Betelkauen geröteten Lippen eine Spur hinterließen.
    Wie er so aufgerichtet neben ihr stand, war er beinahe einen Fuß größer als der durchschnittliche Römer. Er hätte ein Gote sein können aus den Wäldern Germaniens, aber seine Züge waren dafür viel zu weich.
    Als sie aufstand, sah er sie ängstlich an, als erwarte er, daß sie ihn für seine Kühnheit schelte. Sie tätschelte ihm die Wange, blickte tief in seine braunen Augen und sagte: „Du mußt mir Zeit lassen, Gnaius.“
    Er sah sie an wie ein zum Tode Verurteilter, dem eine letzte Gnadenfrist gewährt ist. „Dann sehe ich dich heute abend bei Berenices Fest?“
    „Vielleicht“, lächelte sie, obwohl für sie schon feststand, daß sie hingehen würde. Der Sohn des Kaisers würde zweifellos auch dort sein. Titus Flavius Sabinus Vespasianus war gerade von einer Reise durch die nördlichen Provinzen zurückgekehrt, die beinahe vier Monate gedauert hatte und ihn bis nach Britannien geführt hatte. Nachdem er bei seinem Vater Bericht erstattet hatte, sollte er jetzt zum erstenmal in der Gesellschaft auftreten. Und Elspeth brannte förmlich darauf, einen zukünftigen römischen Kaiser kennenzulernen.
    Sie rief ihre Zofe Lamia, während Gnaius sie förmlich mit den Augen verschlang. Sein Leibsklave, ein etwas kurz geratener Herkules aus Mauretanien namens Narvo, brachte seinem Herrn und Meister die Toga und hüllte sie um ihn.
    „Bis heute abend, meine Göttin“, sagte der Dichter mit einer tiefen Verneigung. Er warf sich die Toga über die Schultern und trat durch die Säulenhalle in die inneren Räume der Villa, das Atrium und den Ausgang zur Straße. Die Sohlen seiner Sandalen klatschten dabei auf den Fliesenboden.
    Lamia sah ihre Herrin überlegend an. Weder ihr kleiner Wuchs – sie reichte Elspeth kaum bis zur Schulter – noch die Tatsache, daß sie eine Sklavin war, schienen dem Mädchen aus Pamphylien den geringsten Respekt eingeflößt zu haben. Sie meinte: „An dem Sklaven hätten Sie jedenfalls mehr als an dem Herrn, Herrin.“ Sie grinste unverschämt.
    „Ich werde daran denken, Lamia“, murmelte Elspeth, um das geschwätzige Mädchen zum Schweigen zu bringen. Sie spürte, daß die Kleine noch etwas sagen wollte und hob fragend die Brauen. „Was ist denn?“ erkundigte sie sich.
    „Herrin“, sagte Lamie, „im kleinen Atrium wartet ein Bote auf dich. Ich habe ihn dorthin geschickt, damit er dich nicht stört.“
    „Das hättest du mir gleich sagen müssen“, sagte Elspeth tadelnd. Und dann: „Was interessiert dich denn so an ihm, Lamia?“
    Lamia rollte die Augen und sagte atemlos: „Er ist hochgewachsen und blond und sieht aus wie ein Barbar – aber er kommt aus dem Aventinischen Viertel hinter dem Palatin und hat einen seltsamen Akzent.“
    „Führe ihn zu mir – sofort“, befahl Elspeth.
    „Ja, Herrin“, sagte das Mädchen geduldig. Sie ging hinaus und kehrte einen Augenblick später zurück, um einen blonden Riesen hereinzuführen, der in Tunika und Toga ebenso wirkte wie ein Hafenarbeiter in Smoking und Krawatte. Als er in die Säulenhalle trat, stolperte der Mann über einen Zipfel seines Gewandes und fluchte im schönsten Englisch:
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