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TS 54: Alle Zeit der Welt, Teil 2

TS 54: Alle Zeit der Welt, Teil 2

Titel: TS 54: Alle Zeit der Welt, Teil 2
Autoren: Henry Kuttner
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Mauern bebten unter den Einschlägen fallender Bomben. Der Schreibstift tanzte in Sams Hand auf dem Papier hin und her. Der Schreibtisch wackelte, der Stuhl wurde hin und her gerüttelt, und selbst der Fußboden erzitterte. Sam verzog unbewußt das Gesicht. Das Bombardement dauerte schon drei Tage, und er hatte sich mit der Zeit an die unangenehmen Begleiterscheinungen gewöhnt.
    Ein Mädchen in braunem, strengem Gewand neigte sich über seine Schulter und verfolgte, was er schrieb. Ihr schwarzes Haar fiel kurzgeschnitten in ihre Stirn. Sam hatte die Seite kaum vollgekritzelt, als das Mädchen sie schon vom Block abriß und damit zu ihrem eigenen Schreibtisch eilte. Sie schaltete den Fernsehsender ein und gab mit leiser, klarer Stimme rasche Befehle durch. An einem Dutzend Stellen in dem belagerten Fort bildete ihr gebräuntes Gesicht den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, als Sams Offiziere ihre Anweisungen entgegennahmen. Aus einem Dutzend Fernsehschirmen blickten ihre zusammengekniffenen veilchenblauen Augen, während ihre samtweiche Stimme strenge Anordnungen erteilte.
    „Gut“, nickte Sam erschöpft, als sie die Befehlsausgabe beendet hatte. „Gut, Signa. Schick jetzt Harker herein.“
    Das Mädchen erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung und durchquerte das Zimmer. Die Tür, die sie öffnete, führte nicht unmittelbar in den Vorraum, sondern in einen kurzen Gang, der mit Suchstrahlen durchleuchtet werden konnte, die jede verborgene Waffe anzeigten. Sam ließ sich auf keine Risiken ein. Große Bedeutung kam dem Gang nicht mehr zu. Vielleicht hatte Sam tatsächlich seine eigene Sicherheit zu lange mit der seiner Herrschaft verwechselt.
    Das Donnern der Beschießung setzte wieder ein, und zum erstenmal platzte an einer Wand der Verputz auf. Ein langer, feiner Riß bildete sich. Wenn die Mauern einstürzten, hatte auch der Gang seinen Sinn verloren. Bis dahin wurde er noch gebraucht.
    Zwei Wachtposten kamen herein, verhielten in dem Gang mechanisch ihren Schritt und blieben dann neben der Tür stehen, während ihr Gefangener durchleuchtet wurde. Zwei weitere Posten bildeten den Schluß.
    Unter Harkers rechtem Wangenknochen saß eine blaue, unterlaufene Stelle. Seine Unterlippe war geschwollen. Trotz seiner Handschellen trug er eine bemerkenswerte Selbstsicherheit zur Schau. Bis auf seine gebräunte Gesichtsfarbe hatte er sich kaum verändert. Er war immer noch das Haupt der Harkers, und sein Geschlecht verkörperte nach wie vor die einflußreichste Familie auf der Venus. Wenn dem Handstreich Sams, mit dem er den führenden Kopf der Angreifer in seine Gewalt gebracht hatte, irgendwelche Bedeutung zukam, dann verrieten Harkers Züge nichts davon.
     
    Die zurückliegenden zwanzig Jahre waren schnell verstrichen.
    An der Unbewohnbarkeit der Kuppeln hatte sich nichts geändert. Die Umstellung auf das Leben an Land war langsam erfolgt, aber mittlerweile abgeschlossen. An dem Tag, an dem die Instrumente anzeigten, daß die Atmosphäre der Venus irdischen Verhältnissen entsprach, hatte der erste Abschnitt sein Ende gefunden. Salzkraut und Gewächse mit hoher Sauerstoffproduktion hatten die Wandlung herbeigeführt. Sie vernichteten zugleich den Dschungel, der nur in der dichten Kohlendioxyd-Atmosphäre gedieh. Sauerstoff bedeutete Gift für die Wildnis der Venus.
    Auf diesen Wandel hatten die Kolonien gewartet.
    „Zacharias“, begann Sam mit müder Stimme, „ich verlange von Ihnen, daß Sie Ihre Leute abziehen.“
    Harker sah ihn scharf und nicht ohne Mitgefühl an. Wie schon oft, versuchte er auch jetzt wieder vergeblich, ein Anzeichen der Harkers, deren Blut in ihrer beider Adern floß, an Sam zu entdecken.
    „Weshalb soll ich das tun?“ fragte er.
    „Sie können Ihre Lage nicht durch Feilschen verbessern. Entweder der Angriff hört bis Mittag auf, oder ich lasse Sie erschießen. Gehen Sie an den Schreibtisch da drüben. Sie können meinen Fernsehsender benutzen.“
    „Nein, Sam. Ihre Zeit ist um. Diesmal können Sie nicht siegen.“
    „Ich habe bisher immer gesiegt, und ich werde wieder siegen.“
    „Sie irren sich“, entgegnete Harker und schwieg einen Augenblick lang, als er dachte, wie oft Sam sich mühelos durchgesetzt hatte, weil er seine Verteidigung in den Jahren des Friedens ausgebaut hatte. Als die Wahrheit über die Unsterblichkeit ans Licht kam, hatten sich unbesonnene, zornige, zu tragischem Scheitern verurteilte Angriffe auf die ragende weiße Festung ereignet, die mit ihren Mauern den
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