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TS 21: Die Überlebenden

TS 21: Die Überlebenden

Titel: TS 21: Die Überlebenden
Autoren: J. T. McIntosh
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keinen Mord an Gloria nachweisen konnte, würde man mich festnehmen und aburteilen.
    „Wir werden ein Auto stehlen müssen“, sagte Ginette leichthin, während wir die Wache verließen. „Ich habe auch schon eins ausgesucht.“
    „Sind Sie auch sicher, daß der Wagen in Ordnung ist?“ forschte ich.
    Sie nickte.
    „Meinen Sie, davon hätte ich mich nicht überzeugt?“

 
5. Kapitel
     
    Ohne jeden Zwischenfall erreichten wir Boulogne.
    Es war früher Abend, als wir anlangten. Ginette konnte selbst nicht fahren; das erklärte auch ihre unbedingte Entschlossenheit, einen Begleiter zu finden. Damit erwies sich wieder einmal die Tatsache, daß man auch Fremden vertrauen konnte, wenn sie vor ähnlichen Problemen standen wie man selbst. Zuvor war mir nicht ganz klar gewesen, warum Ginette nicht ohne meine Begleitung nach Boulogne gelangen konnte. Jetzt, da ich es genau wußte, schwand mein letztes noch vorhandenes Mißtrauen gegen sie.
    Allein und zu Fuß bedeuten die Paggets bereits für einen gut bewaffneten Mann eine Gefahr. Für ein junges Mädchen jedoch bedeuten sie unter gleichen Umständen meist den Tod.
    „Ich schätze“, bemerkte ich, als wir auf einer Seitenstraße durch Boulogne fuhren, „daß es nun endgültig feststeht, warum ich meine Frau ermordet habe; nämlich nur darum, um mit Ihnen auf und davon zu gehen. Wir beide sind also ganz gefährliche Verbrecher.“
    „Höchstwahrscheinlich wird man das annehmen“, nickte sie. „Es wird besser sein, wir beide lassen uns niemals mehr in Samberes sehen.“
    Ein wenig überrascht sah ich sie von der Seite her an. Zum ersten Mal hatte etwas wie Freundlichkeit in ihrer Stimme gelegen, obwohl ihr Gesicht ausdruckslos wie immer blieb. Als sie jedoch mein Erstaunen bemerkte, wurde es direkt feindlich.
    „Warum sind Sie so abweisend?“ seufzte ich.
    „Wie meinen Sie das?“
    „Nun, warten Sie doch, bis ich einmal zudringlich werden sollte, ehe Sie mich so kalt behandeln.“
    „Ich glaube kaum“, sagte sie kalt, „daß diese Unterhaltung zu etwas führen wird.“
    „Das glaube ich auch nicht!“ pflichtete ich ihr überzeugt bei.
    Sie warf mir einen kurzen Blick zu, schwieg aber.
    Bald darauf wußten wir, daß bereits am folgenden Tag die Möglichkeit bestand, nach England zu gelangen. Auch den Wagen konnten wir mitnehmen. Ich wäre aber sicher noch glücklicher gewesen, wenn ich schon damals gewußt hätte, daß unser Wagen wohl der letzte war, der überhaupt noch zur Verfügung stand – auch wenn wir ihn nicht regulär kauften. Verlassene Autos standen überall herum, aber sie liefen nicht mehr. Eine größere Reparatur blieb so gut wie aussichtslos.
    Boulogne selbst schien sich kaum verändert zu haben. Die Fähre nach Dover war in Betrieb, und die Franzosen staunten regelrecht über meine Überraschung, als ich der Vermutung Ausdruck gab, es hätte doch sehr wohl das Gegenteil der Fall sein können. Sehr bald jedoch mußte ich feststellen, daß Boulogne kaum unter den Paggets zu leiden hatte und an eine Welt erinnerte, die ich schon verloren glaubte.
    Lediglich Ginette wurde sehr bald vom Gegenteil überzeugt, sicher zum ersten Mal in ihrem Leben. Während ich mich nach der Fähre erkundigte, ging sie, um einen Regenmantel zu kaufen. Wenigstens hatte sie die Absicht. Als wir uns jedoch wieder trafen, war sie nicht mehr die zarte und elegante Pariserin, die ich verlassen hatte. Obwohl ich niemanden entdecken konnte, war sie offensichtlich nicht lange allein gewesen. Auch konnte dieser Jemand noch nicht sehr lange fort sein, denn sonst hätte sie sicher wieder ihre Kleider in Ordnung gebracht.
    Als sie mich kommen sah, ließ sie blitzschnell eine kleine Pistole irgendwo unter dem Kleid verschwinden. Die Haare hingen ihr wirr im Gesicht, und das Kleid war bis zum Gürtel herab zerrissen. Blutige Kratzer auf den nackten Armen und die zerfetzten Strümpfe verrieten mir nur zu deutlich, was geschehen war.
    Ärgerlich zupfte sie die Kleidreste zurecht und versuchte, die Unterwäsche meinen neugierigen Blicken zu entziehen.
    „Ich kann schon selbst auf mich aufpassen!“ schnappte sie kurz, als hätte ich das Gegenteil behauptet.
    „Das sehe ich“, gab ich zu. „Ich hoffe nicht, daß Sie Ihre Ehre verloren haben?“
    „Sie Narr!“ schimpfte sie. „Ich hätte sie vorher erschossen.“
    „Sie? Wieviel waren es denn?“
    „Zwei Seeleute, nehme ich an.“
    „Und – warum haben Sie nicht geschossen?“
    „Sie liefen weg. Und damit Sie es wissen:
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