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TS 10: Das vertauschte Ich

TS 10: Das vertauschte Ich

Titel: TS 10: Das vertauschte Ich
Autoren: Jerry Sohl
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Plan seines Vaters gesagt.
    »Sie haben es eingehend besprochen«, sagte Severn trocken, »falls Sie wirklich keine Ahnung haben sollten. Ihr Vater hatte verlangt, daß Sie gerade in einem derartigen Notfall wie dem jetzigen die Leitung der Firma übernehmen sollten. Wußten Sie wirklich nichts davon?«
    »Nein, wirklich. Das ist ja einfach lächerlich.«
    »Meinen Sie?«
    »Sagen Sie – mein Vater. Wo ist es geschehen?«
    »In einem Steinbruch.«
    »Grandin-Steinbruch?«
    »Sie kennen ihn?«
    »Er ging dort manchmal hin, um zu malen.«
    »Diesmal endete sein Besuch mit genug Acheron unter der Haut, um damit ein Dutzend Leute umzubringen. Die Waffe muß aus nächster Nähe abgefeuert worden sein.«
    Carl versuchte sich die Ereignisse im Steinbruch vorzustellen, aber es gelang ihm nicht. Sein Blick wanderte hinüber durch die offene Tür in das Arbeitszimmer seines Vaters. Er war überrascht, auf dem Schreibtisch ein Stereophoto von sich zu entdecken. Dann fiel ihm ein, daß er es ja vorher schon dort gesehen hatte. Aber jetzt gewann es plötzlich an Bedeutung, zeigte es ihm doch, daß seines Vaters rauhes und kühles Wesen nicht Abneigung war. Für einen Augenblick übermannte ihn Trauer und Verzweiflung, bis er sich klar machte, daß sein Vater ja restauriert werden würde. Allerdings, was würde mit dem Stück seines Lebens geschehen, das zwischen dem Jetzt und der letzten Aufnahme lag. Das Erinnerungsvermögen würde ja nur bis zu diesem Zeitpunkt wiederhergestellt werden können. Carl konnte sich nicht erinnern, wann die letzte Aufnahme gemacht worden war.
    Bradley Kempton – groß, graue Schläfen – intelligent – bewundert. Carl konnte sich nicht vorstellen, warum ihn jemand ermorden sollte. Es konnte nur jemand gewesen sein, der nicht wußte, daß er dem kleinen Kreis der Auserwählten angehörte, jenen ungefähr zweihunderttausend Menschen auf der ganzen Welt, die sterben konnten, um wiederaufzuerstehen.
    Im Grunde war ja die Restaurierung nur eine verfeinerte Art der Lebensversicherung, und zwar jener, durch die sich in früheren Zeiten große Firmen und ähnliche Institutionen gegen den Verlust eines ihrer leitenden Männer versichern ließen. Jetzt war an deren Stelle die Restaurierung getreten – mit dem einen großen Unterschied allerdings, daß der Versicherungsnehmer die Weltföderation war und ein endgültiger Verlust der Versicherten nicht mehr eintreten konnte. Der frühzeitige Verlust wertvoller Persönlichkeiten – die Managerkrankheit war es früher – war schon immer ein Faktum gewesen, mit dem man sich ungern, wenn auch notgedrungen, abfand. Moderne Erkenntnisse hatten die Restaurierung – also eine gewisse Unsterblichkeit – ermöglicht. Die Weltföderation, die diesen Prozeß monopolistisch kontrollierte, machte davon nur zu gern Gebrauch, nachdem man sich allerdings vorher der Tatsache versichert hatte, daß der Anwärter auf dieses einmalige Geschenk geistig und seelisch völlig gesund war und darüber hinaus weit mehr als Durchschnittsintelligenz besaß.
    Der Jedd-Test, der den alten, von den Psychiatern um die Wende des zwanzigsten Jahrhunderts benutzten Bernreuter-Test ersetzte, war nur einer der Maßstäbe für die geforderte geistige Stabilität. Andere umfaßten eine Endokrinanalyse, ausgedehnte Interviews und Worttests und besonders ein Enzephalogramm, das mit Hilfe eines neuartigen Gehirnprojektors die Wünsche und Triebe des Individuums, seine Vorlieben und Abneigungen vergrößert sichtbar machte.
    Ausgeglichenheit und Stabilität von Geist und Seele wurden schon von der Geburt des Individuums an angestrebt, indem die Funktionen der inneren Sekretion sorgfältig analysiert und wo immer erforderlich korrigiert wurden. Wenn das Kind das Alter erreicht» hatte, in dem die logische Verstandestätigkeit einsetzte, wurde von den Ärzten dieses weltumfassenden Programms ein psychologischer Block errichtet, der Mord und Gewaltverbrechen unmöglich machen sollte.
    Da das System noch nicht unfehlbar war, mußte jedermann zu bestimmten Zeiten Prüfungen ablegen. Ein einfacher Test im Alter von sechs Jahren, die sogenannte Grundprüfung, dann der medizinische Test mit achtzehn und der Schlußtest mit dreißig Jahren. Jenen, die dabei optimale Stabilität zeigten, stand der Weg zur Restaurierung offen, vorausgesetzt, ihre Begabung und ihre Arbeit waren für das Allgemeinwohl wichtig genug.
    Die Auswahl war streng. Weniger als einhundert Männer und Frauen wurden alljährlich in den
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