Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Holzbein. In der Fremde Kalisstrons hatte er unerschütterlich seinen Glauben an Ulldrael verteidigt; nach der Aufhebung von Govans Verbot war er zurückgekehrt, um die Lehren Ulldraels in seiner Heimat zu verkünden. Jetzt stand er umringt von einer Schar seiner Anhänger und redete über den Triumph des Gerechten.
    »Norina Miklanowo!«, rief er freudig, als er die Brojakin gewahrte, und neigte sein Haupt vor ihr. »Ich meine natürlich /hoheitliche Kabcara<.« Die Männer und Frauen in den schlichten dunkelgrünen Roben bildeten eine Gasse für sie, damit sich die Freunde die Hand reichen konnten.
    »Noch ist es nicht so weit, und Ihr, Matuc, dürftet zu denen gehören, die allerhöchstem bei feierlichen Anlässen eine
    solche Anrede gebrauchen müssen. Nur wenn es das Protokoll unter allen Umständen verlangt, möchte ich diese Worte von Euch hören«, lächelte sie, und ihre braunen Augen strahlten. »Ihr seid mindestens so viel auf den Beinen wie ich. Vergesst Euer Alter nicht.« »Ich habe es schon lange vergessen. Die Menschen hören
    das Wort von Ulldrael dem Gerechten gern und überall«, antwortete Matuc glücklich und fuhr sich durch die Haare, die mehr grau als schwarz waren. »Niemals hätte ich gedacht, dass ausgerechnet ich, der einst mit seinem Gott haderte und in der Fremde zu ihm zurückfand, den Orden Ulldraels neu aufbauen darf.« Er nickte in die Runde. »Niemals mehr wird Verschwendung Einzug bei den neuen Oberen unseres Ordens halten. Denn nur durch Schlichtheit und den Verzicht auf persönlichen Reichtum wird es uns gelingen, die Menschen zu begeistern und den Willen Ulldraels zu erfüllen.«
    Norina betrachtete die Trümmer der Kathedrale. »Ist es schwierig, alte Freunde ausfindig zu machen?«
    In Matucs Augen und auf seinem Gesicht zeigte sich Trauer. »Govan Bardric war gründlich, was die Verfolgung unserer Mitbrüder anging. Da lediglich eine Hand voll der Ulldrael-Priester dem alten Glauben abschwor, wurden Unzählige von dem Wahnsinnigen ermordet und Tzulan geopfert.« Er seufzte schwer. »Doch unsere Arbeit trägt Früchte. Schon im kommenden Monat ist der Geheime Rat unseres Ordens für Tarpol gebildet, und der Aufbau wird beginnen.« Er bemerkte, dass Norinas Blick auf die Überbleibsel aus Marmor, Granit und herkömmlichem Stein fiel. »Was habt Ihr damit vor?«
    »Es kann nicht liegen bleiben, das steht fest.« Norina schüttelte sich. Sie hatte das Gebäude des Schreckens nie mit eigenen Augen gesehen, sondern kannte es einzig aus den Erzählungen der Ulsarer und von Bauskizzen, welche sie im Palast gefunden hatte.
    Doch in ihrer Vorstellungskraft setzten sich die Bruchstücke erneut zusammen und erhoben sich in ihrer Finsternis. Sie hörte die Schreie derer, die zu hunderten in das rätselhafte Loch geworfen worden waren, das sich irgendwo unter der Schutthalde verbarg.
    »Das Geröll wird in dem See beim alten Steinbruch versenkt werden. Niemand soll die Steine, an denen das Blut der Tarpoler klebt, verwenden, um daraus ein Haus oder auch nur einen Stall zu errichten. Morgen geht es los«, erklärte sie und senkte die Stimme. »Ich gestehe, dass ich mich davor fürchte, was wir zutage fördern.«
    Matuc nickte verständnisvoll. »Viele der Ulsarer denken so, aber Ulldrael der Gerechte wird über diejenigen wachen, welche die Arbeit verrichten. Ich werde Priester abstellen, die den Segen des Gerechten unablässig herabbeten. Verzeiht mir, Norina Miklanowo, aber ich muss weiter.« Er verneigte sich, aber sie hielt ihm die ausgestreckte Hand hin, und er schlug wieder ein, dann humpelte er, umschwärmt von seinen Anhängern, davon.
    Norina warf einen letzten sorgenvollen Blick auf die einstige Kathedrale und machte sich auf den Rückweg zum Palast, in dem Lodrik und jede Menge Herausforderungen auf sie warteten. Es kam ihr vor, als wiederholte sich das, was sie in jungen Jahren zusammen mit Lodrik versucht hatte: die Abschaffung der Adelsprivilegien und der Leibeigenschaft. Dieses Mal fürchtete sie kaum Widerstand. Das Volk kannte die Vorzüge der Freiheit, und die Knechtschaft unter Govan hatte es noch mehr nach Unabhängigkeit von gierigen Brojaken und raffsüchtigen Adligen dürsten lassen. In Gedanken versunken und mit ihren Reformen beschäftigt, grüßte sie selbstverständlich zurück, wenn die Menschen sie unterwegs auf der Straße erkannten und ihr ehrfurchtsvoll zunickten. Norina fühlte sich ihnen nicht überlegen, obgleich sie um ihre eigene Macht wusste. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher